Unbedingt

Salzburger Festspiele: Rihms »Dionysos«

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Wolfgang Rihm lieferte mit seiner Opernphantasie »Dionysos« den 90. Salzburger Festspielen einen wahren Klangrausch, er setzt auf das große Orchester, umschmeichelt die Stimmen und lässt sie virtuos erblühen. So lustvoll, wie der sympathisch barock wirkende Rihm über seine Musik und den jahrelangen Prozess der Beschäftigung mit der Vorlage, Friedrich Nietzsches Dionysos Dithyramben, zu erzählen vermag, so lustvoll entfaltet er seine Klangverführung.

Er lässt dabei verfremdete Walzerklänge aufschunkeln oder mit einem Lied vom Wandern frühromantische Liedvorlieben aufblitzen. Die Musik hat ohne Zweifel einen theatralischen, einen in die Szene drängenden Gestus, auch wenn sie klassische, auf Anhieb nachvollziehbare Sinnzusammenhänge im Text verweigert. Jedes Wort sei von Nietzsche, versichert Rihm, der Text aber sei von ihm. Und der regnet dann in einem poetischen Anspielungs- und Wortfeuerwerk hernieder, lässt aber doch erkennen, dass es vor allem um jenen N. geht, der für Nietzsche stehen kann, aber auch ganz allgemein für einen sich plagenden, leidenden, liebenden und nach Freiheit in der Kreativität strebenden Menschen.

Die Freiräume zwischen den Worten füllt aber nicht nur die Musik, sondern auch eine szenische Gestalt, die überraschender Weise mehr von Jonathan Meeses Bühnenbildbeitrag als von der eher betulichen Regie des Amsterdamer Opernchefs Pierre Audi profitiert. Meese hat nämlich nicht nur irgendwas dazu gebastelt, gemalt oder gekritzelt, sondern sich tatsächlich auf das Genre eingelassen. Wenn N. auf einem See rudert, dann gönnt er ihm einen Wellenberg (dessen Oberfläche an Meeses Skulpturen erinnert). Wenn man sich assoziativ auf Bergeshöhen bewegt, dann stehen Pyramiden im Raum und eine Riesenleiter. Die Innenräume, ob nun Atelier oder Bordell, hat er mit stilisierten Insignien markiert. Die beherrschenden geometrischen Figuren zielen so aufs Unbedingte, das Nietzsches umweht, wie mancher dicke Strich an dessen Schnauzer und Augenbrauen denken lassen.

Nach der Pause sieht und hört sich das Publikum auch einmal selbst auf dem Zwischenvorhang. Das ist die einzige ganz direkte Verbindung zum Hier und Heute, die diese Produktion behauptet. Wenn der famose Matthias Klink aus der Rolle des Gastes zum Gott Apolon wird und der Hauptfigur N. wie einst dem Marsyas die Haut abzieht, die dann auch noch ein Eigenleben entfaltet, dann demonstriert die Szene eher die eigene Unvollkommenheit, Existenzielles abzubilden.

Zu hören war das schon eher. Und nicht alles überraschte oder befremdete. Wie auch, wo der Mitbegründer der Salzburger Festspiele Richard Strauss immer noch einer Mächtigsten auf den Opernbühnen ist. Gemacht war das alles ganz hervorragend. Kein Wunder, stand doch Ingo Metzmacher am Pult des Deutschen Symphonieorchesters Berlin. Und besser als Mojca Erdmann ihre Ariadne-Höhen und Johannes Martin Kränzle seinen Part als Zentralfigur N. lässt sich das kaum machen.

Der Jubel für ausnahmslos alle Beteiligten war wohl auch davon beflügelt, dass es einer suggestiv führenden Musik gelang, über alle Untiefen zwischen den Worten hinwegzukommen.

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