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Wer erzieht die Polizei? Niemand!
AKW-Gegner erstreiten nächstes Urteil
Zum zweiten Mal in sieben Tagen haben Gerichte festgestellt, dass sich die Polizei gegenüber Demonstranten nicht an Recht und Gesetz gehalten hat. Wie gestern bekannt wurde, war es rechtswidrig, eine Gruppe der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg auf dem Weg zu den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm auf der Autobahn zu stoppen und in Gewahrsam zu nehmen. Aber auch »die Art und Weise der Behandlung im Gewahrsam, insbesondere die Fesselung und Durchsuchung wie auch die verspätete Gewährung eines Kontaktes mit einem Rechtsanwalt« waren rechtswidrig, urteilte das Schweriner Verwaltungsgericht. Erst vor einer Woche hatte ein Berliner Gericht erklärt, dass die Polizei nicht ständig ohne Grund Demonstranten filmen darf, die einfach nur ihr Grundrecht wahrnehmen.
So wichtig es ist, dass Unrecht wenigstens im Nachhinein festgestellt wird, so unbefriedigend bleibt es. Der G8-Gipfel war im Juni 2007. Drei Jahre hat es gedauert, das Urteil durchzufechten. Im Gegensatz zur damaligen Stimmungsmache gegen G8-Gegner erfahren die so viel später gefällten Urteile gegen die Polizei weitaus weniger Beachtung.
Es ist, als wenn einem auf den Kopf gehauen wird und ein anderer sagt, dass das nicht richtig war. Da hat es aber schon weh getan und wenn sich der Schläger nicht selbst besinnt, kriegt man morgen vielleicht wieder auf den Kopf. In Heiligendamm hat die Polizei Menschen effektiv daran gehindert, ihre Grundrechte ausüben. Das ist nicht mehr ungeschehen zu machen. Seit Jahren gewinnt die Anti-AKW-Bürgerinitiative nach überzogenen Polizeieinsätzen Prozess um Prozess – nur das Verhalten der »Ordnungshüter«, das ändert sich nicht. So ist in Berlin absehbar, dass sie künftig versuchen werden, einfach die passende Gefahrenanalyse zu erstellen, mit der sie doch weiter filmen können. Es ist ein ungleicher Kampf.
Das Verhalten eines Schlägers hängt natürlich eigentlich auch von den Erziehungsberechtigten ab. Doch was machen die in Bezug auf die Polizei? Für die Polizeidirektion Rostock jedenfalls, die für die rechtswidrige G8-Maßnahme verantwortlich war, sind keine Folgen bekannt. Niemand wird belangt. Das Urteil wird wohl einfach abgeheftet.
So unbefriedigend das alles ist, klagen müssen Demonstranten trotzdem, sei der konkrete Nutzen auch noch so klein. Es ist eben nicht ganz egal, ob schwarz auf weiß steht, wer Recht hat. Anmelder von Demonstrationen haben damit etwas in der Hand, wenn es um Absprachen mit der Polizei oder Klagen gegen Auflagen geht. Die BI will die Polizei jedenfalls daran erinnern, wenn die ersten Castoren im Herbst ins Wendland rollen.
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