Mit Grass von Danzig nach Lübeck

Ausstellung in der Hansestadt befasst sich mit dem Verhältnis des Schriftstellers zu Polen

  • Lutz Gallinat, Lübeck
  • Lesedauer: 3 Min.
In seinem Werk verarbeitet Günter Grass viele Eindrücke, die er im Elternhaus im Vorort Danzig-Langfuhr gesammelt hat. Er spiegelt in diesem Mikrokosmos den Makrokosmos der Weltgeschichte. In Lübeck befasst sich eine Ausstellung mit dem Verhältnis des Schriftstellers zu Polen.

Günter Grass wird 1927 in der »Freien Stadt Danzig« geboren, sie wird für nahezu sein gesamtes Werk zum Bezugspunkt. In der »Danziger Trilogie« setzt sich der Autor mit den Ereignissen der deutsch-polnischen Geschichte auseinander. Der Verteidigung der Polnischen Post widmet Grass drei Kapitel der »Blechtrommel«. Zusammen mit den Gedichten »Polnische Fahne« und »Pan Kiehot« fügt sich ein Bild des polnischen Schicksals im Zweiten Weltkrieg.

Es ist ein Bild, das die Verteidiger nicht idealisiert und zugleich von tiefer Sympathie getragen ist. Grass' Herkunft als Sohn eines deutschen Vaters und einer kaschubischen Mutter befördert seine unvoreingenommene Sicht auf die polnische ebenso wie auf die deutsche Nation. In der nun in Lübeck gezeigten Ausstellung stellen Manuskripte, bildkünstlerische Arbeiten sowie selten präsentierte Bild- und Tondokumente das Leben und Werk von Grass aus deutscher und polnischer Perspektive vor. Die Schau gewährt Einblicke in die Beziehungen der Länder zueinander.

1958 besuchte Grass erstmals nach dem Krieg Gdansk, um für seinen Debütroman »Die Blechtrommel« zu recherchieren. Die deutschen Bewohner – darunter die Familie Grass – waren nach dem Krieg vertrieben worden. Dem Danziger Grass ist Gdansk nunmehr fremd. Schreibend beschwört er die Stadt seiner Kindheit und bewahrt sie so vor dem Vergessen. Obwohl der selbstverschuldete Verlust der Heimatstadt schmerzt, setzt sich Grass bereits 1961 für eine verbindliche Anerkennung der Oder-Neiße-Linie ein und begleitet Willy Brandt 1970 anlässlich des »Warschauer Vertrages« in die polnische Hauptstadt. Den berühmten Warschauer Kniefall Brandts hat Grass in »Mein Jahrhundert« (1999) literarisch verarbeitet.

Im Jahr 1980 erfasst ein Streik die Danziger Werft, von dort aus ganz Polen. Die freie Gewerkschaft »Solidarnosc« wächst zu einer sozialen Bewegung heran, die die kommunistische Regierung angreift. In Grass' Roman »Die Rättin« (1986) finden diese Geschehnisse Eingang. Obwohl es für ihn schwierig ist, ein Visum zu erhalten, reist Grass auch in den achtziger Jahren nach Polen. Dort liest er aus seinen Büchern, die zumeist nicht im Land publiziert werden dürfen.

Die Wende in Polen führt zu einer Intensivierung der Kontakte zwischen dem Literaturnobelpreisträger und polnischen Schriftstellern und Intellektuellen. Seine Bücher können nun ohne Hindernisse erscheinen. Autoren aus Gdansk werden von Grass bei ihrer Aus-einandersetzung mit dem deutschen Danzig und dem Nachklingen seiner Geschichte in der polnischen Heimatstadt inspiriert.

Die Erzählung »Unkenrufe« (1992) schließlich wird im zeitgenössischen Gdansk angesiedelt, wobei das Thema des Heimatverlustes, der Umgang mit Vertreibung und Zwangsumsiedlung in Osteuropa nach 1945 im Mittelpunkt der Handlung steht. Nach einer emotionalen Diskussion über die Ehrenbürgerwürde von Günter Grass, ausgelöst durch seine Zugehörigkeit zur Waffen-SS, stellen sich viele Bürger in Gdansk hinter den Autor. Die Schau in Lübeck wird begleitet von einen hochrangig besetzten Begleitprogramm.

»Von Danzig nach Lübeck. Günter Grass und Polen«, bis 31.01.2011 im Günter-Grass-Haus, Glockengießerstraße 21, 23552 Lübeck, Internet: museen@luebeck.de.

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