Wulff erleichtert über »Herrn Doktor Sarrazin«
Bundesbank zieht Entlassungsantrag und Kritik an ihrem Vorstand zurück – Banker geht freiwillig
Potsdam (dpa/ND). Nach langer öffentlicher Debatte um SPD-Parteiausschluss und Entlassung als Bankvorstand hat Thilo Sarrazin nun selbst die Konsequenzen gezogen – zumindest teilweise: Er habe Bundespräsident Christian Wulff gebeten, ihn zum Ende des Monats vom Amt des Bundesbankvorstands zu entbinden, sagte der wegen seiner Thesen zur Einwanderungspolitik heftig umstrittene 65-Jährige am Donnerstagabend in Potsdam. Er bestätigte damit entsprechende Angaben der Bundesbank in Frankfurt am Main.
Im Schloss Bellevue zeigte man sich erleichtert. Wulff begrüßte die Entscheidung. »Der Bundespräsident wird dem Antrag von Herrn Doktor Sarrazin entsprechen«, teilte Präsidentensprecher Olaf Glaesecker mit.
Der 65 Jahre alte SPD-Politiker und frühere Berliner Finanzsenator hatte mit seinem Buch »Deutschland schafft sich ab« und durch Äußerungen in Interviews heftige Kritik auf sich gezogen und war immer mehr ins politische Abseits geraten. Sarrazin sagte am Donnerstagabend, er habe in den vergangenen 14 Tagen »massiven Druck« gespürt. »Das war für mich nicht einfach.« Er habe sich überlegt, ob er es sich leisten könne, sich »mit der gesamten politischen Klasse in Deutschland anzulegen«. »Diese Situation hält auf Dauer keiner durch«, sagte Sarrazin. Jetzt könne er noch auf vielen Veranstaltungen auftreten, ohne dass man sage, da spreche ein Bundesbankvorstand.
Wie Sarrazin weiter mitteilte, hat die Bundesbank den Antrag auf Amtsenthebung bei Wulff inzwischen zurückgezogen. »Der Bundesbankvorstand hält die gegen mich erhobenen Anwürfe, ich hätte mich gegenüber Ausländern diskriminierend geäußert und Ähnliches, nicht aufrecht, sondern zieht sie zurück«, erklärte er. Daraufhin habe er den Bundespräsidenten selbst gebeten, ihn von seinem Amt zu entbinden, so Sarrazin weiter. Auch in der Erklärung der Bundesbank hieß es, dass der Entlassungsantrag zurückgezogen sei und man »wertende Ausführungen« über Sarrazins Verhalten nicht mehr aufrecht halte.
Der amtierende SPD-Fraktionschef Joachim Poß forderte Sarrazin auf, auch die SPD freiwillig zu verlassen. »Wenn Sarrazin der Politik insgesamt den Kampf ansagt, dann soll er den gleichen Schritt tun wie bei der Bundesbank und die SPD aus freien Stücken verlassen«, sagte Poß nach einer SPD-Fraktionsklausur am Freitag in Berlin. Ein solcher Schritt würde ihm bei seinen weiteren journalistischen Aktivitäten auch größere Unabhängigkeit bescheren. Die Berliner SPD erklärte am Freitag, das Parteiausschlussverfahren laufe weiter wie beantragt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.