»Keiner ist allein«
Volker Kauder (CDU) lobt sehr laut ein ruhiges Buch von Peter Struck (SPD)
Es war klar, dass diese Buchvorstellung zu einer launigen Veranstaltung werden würde. Denn dass Peter Struck und Volker Kauder während der Großen Koalition zwischen 2005 und 2009 zu Freunden wurden, ist bekannt. Wenn auch – selbst jenseits der politischen Intentionen – immer wieder verwunderlich. Schließlich offenbarte auch die gestrige Buchpremiere mit beiden, wie kurz angebunden der eine und geschwätzig der andere zu agieren pflegt.
Jedenfalls hat Struck, der 2009 aus dem Bundestag ausschied, jetzt seine politischen wie menschlichen Erfahrungen im Berliner Politikbetrieb während der elf SPD-Regierungsjahre mit manchem Seitenhieb auf Genossen wie Gegner zwischen zwei Buchdeckel gepresst. Und Kauder, der dabei »so schlecht nicht wegkommt« und immer noch im Amte ist, lobte das Resultat wortreich als »authentisch«, »glaubwürdig«, »wahrhaftig« und »geradlinig«, will gar an der einen wie der anderen Stelle des über 300-seitigen Werkes den Autor sprechen gehört haben.
Der schien sich damit genug verausgabt zu haben und beließ es zunächst bei ein paar Sätzen zu seinem »ruhigen« Buch. Zum einen sollten seine sieben Enkel erfahren, »was der Opa in den 30 Jahren Politik so gemacht hat«, zum anderen wollte er gegen den schlechten Ruf von Politik wie Politikern anschreiben. Dass der frühere Verteidigungsminister später auch zu seinem Satz »Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt« stand und sich nicht nur besorgt über die Lage in Afghanistan äußerte, sondern auch über die Position der neuen SPD-Spitze, baldmöglichst die deutschen Soldaten zurückholen zu wollen, war den Nachfragen der Journalisten geschuldet. Wie auch seine wenig schmeichelhaften Äußerungen zur jetzt regierenden konservativen Koalition, zur Regierungsunfähigkeit der FDP und zu Außenminister Guido Westerwelle, der kein Ruhmesblatt für Deutschland sei.
All das freilich konnte Kauder so nicht im Raume stehen lassen. Trotz all seiner vorangegangenen Lobgesängen auf die gute Zusammenarbeit mit der SPD in der Großen Koalition, die eine »erfolgreiche Phase von Regierungspolitik in Deutschland« gewesen sei, zeigte er sich überzeugt, dass Schwarz-Gelb die Regierungskonstellation ist, »die Deutschland voranbringt«.
Aber immerhin: Die Zusammenarbeit mit Struck hat Kauder, der nach eigenem Bekunden die »Sozis seit 30 Jahren zu Luft, zu Wasser und am Boden bekämpft« hat, belehrt, dass es bei den Sozialdemokraten auch »tolle Leute« gibt. Seine Freundschaft zum SPD-Amtsbruder sei in der Union bisweilen mit Stirnrunzeln beargwöhnt worden, räumte der Unions-Fraktionschef ein, um sogleich Strucks »Verlässlichkeit, Offenheit und Ehrlichkeit« zu rühmen. Die Gespräche mit ihm müssen für Kauder ein Bildungserlebnis der besonderen Art gewesen sein, nachdem die Bundestagswahlen 2005 SPD und Union »in einen Topf geworfen« hatten und Struck wie Kauder die Aufgabe zukam, den Laden zusammenzuhalten – oder im Kauder-Sprech »die Große Koalition, die niemand so recht wollte, zu einem Erfolgsprojekt zu machen«. Dass der CDU-Mann diese Zeit dennoch nicht vermisst, wohl aber manchmal Struck, lässt bei all seiner Verteidigungsrhetorik für das schwarz-gelbe Bündnis tief blicken.
Struck reichte artig die Liebeserklärung zurück und bekannte, neben seinen Mitarbeitern auch die Gespräche mit Kauder zu vermissen. Er legte dennoch Wert darauf, »ganz« gegangen zu sein, auch wenn ihm seine Fraktion zum Abschied »Niemals geht man so ganz« hinterhergeträllert hat. Dass ihn aber offenbar noch so manches umtreibt, zeigt nicht nur das Buch – darauf weisen auch seine knarrigen Kommentare zu Sarrazin, Lafontaine und Clement hin.
Bei allen Freundlichkeiten, die Struck und Kauder austauschten: In einer Frage sind sie nie übereingekommen, verrät Kauder. »Peter, lass Angela Merkel in Ruhe«, habe er gar manches Mal, aber offenbar erfolglos seinem Sparringspartner geraten. Dabei könne doch keiner übersehen haben, »mit welcher Führungsstärke die Kanzlerin aus der CDU durch die Wirtschafts- und Finanzkrise marschiert« sei. Struck griente und verwies darauf, dass Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück von der SPD da auch nicht ganz unbeteiligt gewesen wären. »Keiner ist allein, das wissen wir«, warf da der Freund dem Freunde hin – und war fertig mit der Buchvorstellung. Foto: dpa
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