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In eigener Sache
Die Gegenspionage der Hauptverwaltung Aufklärung der DDR
Die Gegenspionage, »Äußere Abwehr« genannt, gehörte sicherlich zu den erfolgreichsten Arbeitsfeldern der Hauptverwaltung Aufklärung (HV A) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Mit Gegenspionage ist das inoffizielle Eindringen in gegnerische Nachrichtendienste gemeint, bei der HV A bevorzugt in den Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter sowie den Militärischen Abschirmdienst (MAD).
Klaus Eichner und Gotthold Schramm legten hierzu nun ein Sachbuch in eigener Sache vor. Eichner war seit 1959 mit der Spionageabwehr beim MfS in Leipzig befasst, ab 1974 in der Auswertung von Nachrichtendiensten bei der HV A IX/C, zuletzt als Leiter. Schramm, ab 1956 persönlicher Referent von Markus Wolf, zwei Jahre später Leiter des mit Gegenspionage befassten Sonderreferats der HV A I, dann zur Spionageabwehr der Hauptabteilung II des MfS eingesetzt, war von 1974 bis 1986 mit der Abwehr von Spionageangriffen auf DDR-Vertretungen betraut (HV A IX/B) und zuletzt Leiter der HV A XVIII, zuständig für Zivilschutz und Fragen der Sabotage.
Die Autoren skizzieren die mageren Anfänge 1951, widmen sich dann dem eigens 1959 eingerichteten 20-köpfigen Sonderreferat, das vor allem von der Quelle »Wieland« und dessen Zugängen zur bundesdeutschen Polizei sowie von einer schon bald an Wild-West-Romantik erinnernden Einsatzgruppe »Herrmann« lebte, die auch schon mal im Bonner Bundeshaus konspirative Postleerungen vornahm.
»Mit dem Wissen von heute muss man ... feststellen, dass die Bildung einer spezifischen Diensteinheit für Gegenspionage/Äußere Abwehr in der Aufkklärung der DDR mindestens zehn Jahre zu spät erfolgte«, schreiben Eichner und Schramm. »Sie hätte spätestens im Ergebnis der Ereignisse des Jahres 1961 erfolgen müssen.« Nun, mit der Einrichtung der HV A IX als eigener Gegenspionageabteilung im Juli 1973 führte das MfS schließlich verschiedene Fachgruppen zusammen, wobei sich die HV A IX/A auf die westlichen Dienste, die HV A IX/B auf die Spionageabwehr in DDR-Auslandsvertretungen und die HV A IX/C auf die Auswertung konzentrierte.
Eichner und Schramm stellen die Spitzenquellen beim bzw. im Umfeld des BND vor. Da trifft man wieder auf Alfred Spuhler (»Peter«), Gabriele Gast (»Gisela«), den Journalisten Gerhard Baumann (»Schwarz«) sowie den Emigranten »Bingen«. Unerwähnt bleibt der Zugang »Reinhard« ab 1977. Der Redakteur der Deutschen Welle, Herbert Kloss (»Siegbert«), der den bundesdeutschen Militärischen Abschirmdienst (MAD) im Auge zu behalten hatte, wird eingeführt, doch die interessanteren Quellen »Junker«, »Segler«, »Sacher«, »Nichte« oder »Ritter« fehlen. Was die Quellen beim Verfassungsschutz betrifft, sind beinahe alle herausragenden versammelt: Klaus Kuron (»Stern«) und Hansjoachim Tiedge (»Berger«), die niedersächsischen Verfassungsschützer Wilhelm Balke (»Gräber«) und Hans-Joachim Armborst (»Maurer«) sowie der hessische Verfassungsschützer Richard Kind (»Bodva«). Man vermisst »Werner Briske«, »Delta« und »Schippmann«, aus welchen Gründen auch immer. Bei den Kriminalämtern sieht es mit Walter Schabronat (»Luchs«), Karin Zuber (»Bussard«) nebst den Angehörigen »Falke« und »Schwan« oder Ute Brunner (»Hecht«) wieder besser aus, nur »Altmeister« und »Wolke« sind nicht mit von der Partie im Buch von Eichner und Schramm.
Die Autoren gehen auch auf die Motivation der Zusammenarbeit mit der HVA der DDR ein. Dabei ist es ihnen wichtig zu betonen, dass »realistisch denkende Menschen im Westen zunehmend die DDR als eine gesellschaftliche Alternative zu ihren eigenen Verhältnissen anerkannten und nicht zuletzt Geheimdienstspezialisten des Westens die Professionalität der Mitarbeiter der Gegenspionage der DDR zu schätzen wussten«. Sie räumen aber zugleich ein: »Auch das materielle Interesse, ein im Kapitalismus hervorstechendes Merkmal, ließ manchen bei uns anklopfen. Es wäre törricht gewesen, auf diesem Klavier nicht zu spielen.« Interessant ist, wie die Kontaktaufnahme und Gewinnung neuer Quellen erfolgte, manchmal auf recht banale Weise. Und wie diese dann weitere Informanten, teils unter »fremder Flagge« gewannen.
Erfolgreich war die Gegenspionage der HV A auch bei den US-amerikanischen Sendern Free Europe und Radio Liberty sowie bei Emigrantenorganisationen in der Bundesrepublik, insbesondere die ukrainische und polnische, die indes auch von den Diensten anderer Staaten unterwandert waren. Hier von einem »Geheimdienst-Filz« zu sprechen, wie dies die Autoren tun, ist sicherlich berechtigt.
»Die bundesdeutsche Auslandsspionage und Spionageabwehr ... war für die Gegenspionage der DDR ein offenes Scheunentor«, vermerken Eichner und Schramm stolz und verweisen darauf, dass dies auch in mehreren Gerichtsurteilen gegen Quellen der HV A nach 1990 festgestellt worden war. Sicherlich vermochte die Hauptverwaltung Aufklärung IX »mit relativ wenigen, aber gut platzierten Quellen das System der westlichen Spionage und Gegenspionage zu paralysieren«. Nur, diejenigen, die dazu beitrugen, mussten später mit teils hohen Haftstrafen einen sehr hohen Preis dafür bezahlen.
Trotz einiger fehlender Quellen bereichern Eichner und Schramm das Wissen um die von ihnen so benannte Konterspionage der HV A, erläutern Strukturschemen, skizzieren Aufgabenschwerpunkte, benennen die Leitungsebenen und fügen diverse Dokumente an, darunter Faksimile der »neuen Nachhut«, eine von der HV A gefälschte, inoffizielle BND-Postille.
Klaus Eichner/Gotthold Schramm: Konterspionage. Die DDR-Aufklärung in den Geheimdienstzentren. Edition Ost, Berlin. 286 S., br., 14,95 €.
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