Der Läufer

Friedrich Schirmer kündigte als Chef des Deutschen Schauspielhauses Hamburg

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

Verräter!, hat er geknurrt, so verächtlich wie möglich, und: Weichei, das! So der aktive Läufer Friedrich Schirmer über den erbärmlich schnell ins eigene Fett zurückgefallenen Ex-Läufer Joschka Fischer. Unverzeihlich, wie der sich vom Sport verdünnisierte, indem er schneller wieder eindickte, als er vollmundig abgemagert war. Schirmer liebt Bewegung – als verlässliche Behauptung von Beständigkeit. Aber er war zwölf Jahre Schauspielchef in Stuttgart. Lange also. Die Bewegung lag im Innern des Apparats – der Kölner, Jahrgang 1951, erhob das baden-württembergische Theater zur überregional anziehenden Institution. Lebenshöhepunkt eines Lernwilligen nach langer Wanderung: Castrop-Rauxel, Berlin, Nürnberg, Mannheim, Dortmund, Esslingen, Freiburg. Die Provinz als Schule für den langen Atem. Vom Dramaturgie-Assistenten zum Spartenchef – ein Marathon, erfolgreich, weil Schirmer das Richtige im Gepäck hatte: Ausdauer, Ehrgeiz, Intelligenz und eine hohe Empfindlichkeit, die aber sehr genau wusste, wo sie sich zu panzern hatte.

Der Theatermann – Bruder von Lothar Schirmer, Mitbegründer des Kunstbuchverlages Schirmer/Mosel – ist kein kühner Visionär, eher ein solides Stützpfeilerwesen; er war ein Dachübermkopf-Garant für Aufsteigende wie die Regisseure Kusej oder Kimmig oder Kruse; er mied die Schlachtfelder, auf denen sich die Zertrümmerer mit den Traditionalisten die Köpfe rammten; er war stets das solide dramaturgische, in seiner Aufstörungslust doch besonnen bleibende Ober-Haupt.

Als er vor fünf Jahren ans Deutsche Schauspielhaus Hamburg ging, übernahm er es von Tom Stromberg und galt als große Hoffnung. Denn Stromberg, ein »enttäuschend dürftiger Chaot« (FAZ), hinterließ eine Dümpelei. Schirmer aber, der mit langen Haaren kam und inzwischen Kahlkopf ist, ließ ebenfalls Federn. Regierte ohne Furor. Man denkt wieder an Gründgens, Zadek, Baumbauer. Alter Geist kann lange spuken.

Schirmer warf nun hin, weil er sich nicht totsparen lassen will. Das ist Charakter. Dass er geht, erscheint einigen nicht als ganz großes Unglück. Das Theater ist in einer größeren als »nur« finanziellen Krise. So kommt zum Charakter Schirmers seine Tragik.

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