Gut gemeint reicht nicht aus
Das deutsche Schulsystem befindet sich im Umbruch. In Baden-Württemberg werden neue Schulen gegründet, um die Bildungschancen von Hauptschülern zu verbessern (siehe unten stehenden Artikel). In Berlin hat der Senat mit Start des Schuljahres die Hauptschulen abgeschafft und sie mit Real- und Gesamtschule zur Sekundarschule zusammengelegt. In Hamburg ist zwar die sechsjährige Primarschule am Widerstand der bildungsbürgerlichen Klientel gescheitert, doch auch hier gibt es jetzt eine neue Schule, nur dass sie in der Hansestadt Statteilschule statt Sekundarschule heißt.
Das Schulreformwesen entwickelt sich also. Doch nur bei oberflächlicher Betrachtung geschieht dies reibungslos. Bei den Eltern herrscht ein tiefes Misstrauen gegenüber den Reformen. Und das aus gutem Grund. Beispiel Berlin: Hier braut sich bei den Lehrern Unmut über die rot-rote Schulreform zusammen. Hinter vorgehaltener Hand haben Schulleiter schon vor Monaten über die schlechte Stimmung in den Lehrerzimmern geklagt. An mancher bisherigen Realschule etwa herrscht die Angst vor der Invasion der Hauptschüler vor. Auf die pädagogische Herausforderung, eine leistungsheterogene Schülerschaft zu unterrichten, so ein Schulleiter im Vertrauen gegenüber ND, seien seine Lehrer überhaupt nicht vorbereitet. Das Versagen leistungsschwächerer Schüler ist so programmiert.
Es wäre nicht das erste Mal, dass in Berlin der Erfolg einer Schulreform durch das Beharrungsvermögen mancher Schulen und Lehrer in Frage gestellt wird. Als vor sechs Jahren die Altersmischung an den Grundschule eingeführt wurde, war das auf dem Papier zwar eine prima Idee, doch viele Lehrkräfte haben sich jahrelang erfolgreich gegen das jahrgangsübergreifende Lernen in ihren Klassen zur Wehr gesetzt. Manche tun das noch heute – die Reform wurde an einigen Schulen nur formal umgesetzt. Es rächte sich, dass der zweite vor dem ersten Schritt gemacht wurde: Für eine neue Pädagogik braucht es entsprechend ausgebildete Lehrer. Das gilt auch für die jetzigen Reformen. Gut gemeint reicht nicht aus.
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