Tradition mit revolutionärer Füllung
Zum chinesischen Mitherbstfest gibt es Mondkuchen – in unglaublichen Geschmacksrichtungen
Yeo Tiong ist nicht mehr zu halten. »Die Champagnertrüffel-Mondkuchen von Raffles sind sooo lecker«, schwärmt der Grafiker. »Sie zergehen im Mund, so cremig sind sie. Die muss ich einfach zum Mondfest haben«, beteuert der 32-Jährige, für den Markenwaren wichtig sind, der immer das neueste Handymodel hat und natürlich »die richtige Mode« trägt.
Über solche »Fashionistas« mag man die Nase rümpfen. Aber im Fall der mit knackigem Kern aus weißer Champagnertrüffelschokolade statt des traditionellen Eigelbs gefüllten »Snow-Skin Mooncake with Champagne Truffle & Granache« des traditionsreichen Raffles Hotel in Singapur kann man nicht anders, als Yeo Tiong recht geben. Singapureaner aller Klassen und Szenen stehen in diesen Tagen Schlange an dem Straßenverkaufsstand vor dem Luxushotel, um die Verwöhnvariante der traditionellen Mondkuchen zu erwerben.
Das Mittherbstfest, auch Mondfest genannt, ist eines der schönsten des an Feiertagen nicht gerade armen chinesischen Festkalenders. Zum Mondfest gehören die runden, handtellergroßen Mondkuchen, die man sich gegenseitig als Symbol für Wohlstand und Glück schenkt. »Am Abend sitzt die ganze Familie zusammen, isst Mondkuchen und trinkt dazu Tee. Der Tee muss stark sein als Balance zu der Süße der Kuchen«, erzählt Vanessa Man. Aber weil sie die Werbefrau des Raffles ist, muss sie noch schnell hinzufügen: »Zu unseren Champagnertrüffelmondkuchen empfehlen wir natürlich Champagner als Getränk.«
Der traditionelle Mondkuchen besteht aus einer Füllung aus grünlich-brauner, süßer Lotuspaste, die ein wenig an Marzipan erinnert. Darin eingebettet ist ein gestocktes und gesalztes Enteneigelb, dessen Form und Farbe den Vollmond symbolisiert. Der Gegensatz von salzigem Eigelb und süßer Paste symbolisiert das Prinzip der Harmonie des Yin und Yang. Das ganze wird in eine Teigpastete gefüllt, mit einem Teigdeckel verschlossen, der mit Festtagswünschen wie »Harmonie« oder »Glück« in chinesischen Schriftzeichen verziert ist, und im Ofen gebacken.
Der Ursprung des Mondkuchens liegt jedoch mitnichten in Opulenz und Luxus. Im Gegenteil, das Gebäck geht auf ein bescheidenes Mittel politischer Unbotmäßigkeit zurück. Als Chu Yuan-Chang als Anführer der rebellischen »Roten Turbane« im China des 14. Jahrhundert den Aufstand gegen die mongolische Yuan-Dynastie plante, sann er über einen Weg nach, wie er auf konspirative Weise das Volk den Termin der Revolte wissen lassen konnte. Die geniale Idee: die Geheimbotschaft »Erhebt Euch am 15. des Achten Mondes« wurde in Kuchen gesteckt und diese an das Volk verteilt.
Man muss aber nicht ins Raffles gehen, um Mondkuchen zu kaufen. In den Einkaufszentren Singapurs sind schon Wochen vor dem Fest riesige Mondkuchenmärkte aufgebaut. Es gibt sie inzwischen in den unglaublichsten Geschmacksrichtungen. Mal sind rote Bohnen in die Paste gemischt, mal grüner Tee. Manche schmecken nach Mango, andere nach Capuccino. Und für Liebhaber gibt es sogar welche mit der Stinkfrucht Durian.
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