Erleichtert?

Nachgefragt bei: GEORG P. SALZMANN, Sammler der »Bibliothek der verbrannten Bücher«

  • Lesedauer: 3 Min.

Der frühere Finanzkaufmann im Wohnungsbau Georg P. Salzmann aus Gräfelfing in Bayern hat jüngst seine Sammlung der von den Nazis verbrannten Bücher an die Universitätsbibliothek Augsburg verkauft. Die Sammlung umfasst rund 12 000 Bände und ist laut einem Gutachten der Bayerischen Staatsbibliothek die umfangreichste zu diesem Thema. dpa

Sind Sie erleichtert, dass Ihre gesammelten Bücher in der Universitätsbibliothek Augsburg nun der Öffentlichkeit zugänglich sind?
Ja. Ich bin inzwischen 81 Jahre alt und wollte die Sammlung noch zu Lebzeiten übergeben.

Sind Sie mit dem Standort zufrieden?
Die Menschen dort haben sich viel Mühe gegeben. Sie haben Extraräume geschaffen und es gibt Vitrinen für die Bücher. Leider geht nicht jeder Bürger in eine Universitätsbibliothek. Aber die Universität macht mit Öffentlichkeitsarbeit auf die Sammlung aufmerksam. Früher hatte ich das stärker frequentierte NS-Dokumentationszentrum in Nürnberg als Standort favorisiert. Doch wie es nun ist, ist es gut.

Wann haben Sie angefangen, die Bücher zu sammeln?
Das Ende des Zweiten Weltkrieges war für mich ein Schlüsselerlebnis. Mein Vater, der ebenso wie mein Großvater ein überzeugter Nazi war, hatte sich 1945 erschossen. Im Juni desselben Jahres nahm mich ein US-amerikanischer Offizier in das in der Nähe meines Heimatortes gelegene Konzentrationslager Buchenwald mit. Dort habe ich gesehen, was für schreckliche Verbrechen Deutschland im Krieg begangen hatte. Wenig später ging ich in Weimar in einen Buchladen und kaufte mir »Der jüdische Krieg« von Lion Feuchtwanger. Lesen wurde zu meinem Hobby und Bücher wiederum zu einer Sammelleidenschaft.

Ist Ihre Sammelleidenschaft also eine persönliche Vergangenheitsbewältigung?
Das weiß ich nicht. Jedenfalls bin ich in der Nazi-Zeit sozialisiert worden. Sowohl in der Schule als auch in der Hitlerjugend. Das hat mich geprägt und damit habe ich mich auseinandergesetzt. Ich war noch zu jung, um Blut an den Händen zu haben, aber ich war alt genug, um zu verstehen, was um mich herum vorging. Nach 1945 ist Deutschland die Demokratie von außen übergestülpt worden. Ich habe seitdem häufig das Gefühl, dass sich viele Deutsche aus ihrer eigenen Geschichte und ihren Verbrechen rausgemogelt haben.

Wie viele Antiquariate in Europa kennen Sie inzwischen?
Ich habe fast alle deutschsprachigen Antiquariate in Europa, bis auf die in Frankreich, abgeklappert. In den vergangenen 65 Jahren war ich dauernd unterwegs. Meine inzwischen verstorbene Frau musste dabei die Hauptlast tragen. Denn für die Recherche-Reisen gingen viel Zeit und unser Haushaltsgeld drauf.

Fehlen noch Werke in der »Bibliothek der verbrannten Bücher«?
Die Werke einiger Autoren sind lückenlos, andere jedoch nicht. Die versuche ich zu bekommen, um sie dann der Universitätsbibliothek Augsburg zukommen zu lassen. Was beispielsweise fehlt, ist die »Totenrede auf Sigmund Freud« von Stefan Zweig.

Fragen: Aert van Riel

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.