Was tabu war, hängt an der großen Glocke

Die Gier der katholischen Kirche Polens

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein großer Schwindel ist endlich aufgeflogen. Die Rede ist von der unaufhaltsamen Gier der Katholischen Kirche und einer untertänigen Nachgiebigkeit staatlicher Institutionen.

Das Thema galt bisher als Tabu. Allenfalls wurde darüber geflüstert. Nun aber hängt es an der großen Glocke. Es betrifft die staatlich-kirchliche Vermögenskommission.

Als die »Komisja Majatkowa« nach der Wende gegründet wurde, berief sich die damalige Solidarnosc-Regierung auf ein noch zu »kommunistischen Zeiten« verabschiedetes Gesetz über die Beziehungen zwischen Staat und Kirche. Gemäß einer Regierungsverordnung sollte besagte Vermögenskommission als Struktur im Innenministerium die Rückgabe der von den »Kommunisten geraubten Immobilien und Ländereien« an kirchliche Institutionen bewerkstelligen. Alle Anträge auf »Restitution kirchlichen Eigentums« sollten durch ein paritätisch besetztes, in drei »Entscheidungsgruppen« aufgegliedertes Gremium bearbeitet werden. Jeweils vier Personen – zwei vom Staat, zwei von der Kirche – entschieden über Vermögen im Milliardenwert. Es genügte, dass sich einer der beiden Staatsvertreter auf die Seite der Kirchenvertreter schlug, und die Sache war erledigt. Keine Berufungsmöglichkeit! Die Entscheidung war endgültig.

Dabei wurde die finanzielle Bewertung der als »Wiedergutmachung« geforderten Immobilien ausschließlich von Experten der kirchlichen Seite vorgenommen. In der Regel wurden sie unterbewertet, so dass sich die kirchlichen Ansprüche unverhältnismäßig summierten. Anschließend wurden die Restitutionsobjekte häufig auf dem »freien Markt« äußerst profitabel weiterverkauft.

Vorige Woche wurde nun bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Gliwice einen Marek P. festnehmen ließ, der im Namen von Pfarreien, Diözesen, Priesterseminaren, Ordensgemeinschaften und Stiftungen Anträge auf »Wiedergutmachung« und »Entschädigung« gestellt hatte. Damit gelangte das Thema »Vermögenskommission« in die Schlagzeilen. Marek P. wird vorgeworfen, Kommissionsmitglieder bestochen zu haben. Er war ehemals Funktionär des Sicherheitsdienstes SB. Das mag der Grund sein, warum es um den Schwindel plötzlich so laut wurde. Dass er als Vertrauter des Kanzlers der Krakower Diözese und des jetzigen Pfarrers der Kathedrale auf dem Wawel-Hügel einen »Persilschein« erhalten hatte, wird nicht besonders herausgestellt.

Die mit 77 Prozent des Gehalts von Juristen des Obersten Verwaltungsgerichts bezahlten Kommissionsmitglieder entschieden bisher über die Rückgabe von 490 Gebäuden und 160 000 Hektar Land. Sie haben bereits 3038 Anträge zugunsten der Kirche bearbeitet. Weitere 320 Forderungen stehen noch an, sie betreffen 400 000 Hektar Land und Immobilien im Wert weiteren von 5 Milliarden Zloty (mehr als 1,25 Milliarden Euro).

Doch Polens Öffentlichkeit ist aufgewacht. Dies besonders angesichts der fanatischen Klerikalisierung der Politik nach dem Smolensker Flugzeugunglück. Ewa Siedlecka rief den Staat in einem Kommentar der »Gazeta Wyborcza« auf, die bisherige »Vogel-Strauß-Haltung« gegenüber der Kirche aufzugeben. Andere Kommentatoren erinnerten daran, dass dem Verfassungstribunal seit Anfang 2009 ein Antrag des Bündnisses der Demokratischen Linken (SLD) vorliegt, die Verfassungswidrigkeit der »Vermögenskommission« und somit die Nichtigkeit ihrer Entscheidungen festzustellen.

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