Bestrafung für eine Stunde Streik
Noch zu Beginn des neuen Schuljahrs sollten Birgit Mills und Claus-Timm Carstens befördert werden: Mills zur Leiterin der Flensburger Hohlwegschule und Carstens zum Leiter der Elmshorner Gemeinschaftsschule Langelohe. Doch der Bildungsminister von Schleswig-Holstein Ekkehard Klug (FDP) machte die Pläne zunichte. Die beiden Lehrer wurden von Klug jetzt dafür bestraft, dass sie sich am 3. Juni 2010 für eine Stunde an einem landesweiten Streik beteiligt hatten. Zu der Arbeitsniederlegung hatte die Gewerkschaft GEW aufgerufen, um gegen längere Arbeitszeiten und Kürzungen im Bildungsbereich zu protestieren. Weil Beamte nach den Grundsätzen des Berufsbeamtentums nicht streiken dürfen, hatte das Bildungsministerium von Schleswig-Holstein den Lehrern in einem Schreiben vom 26. Mai mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur außerordentlichen Kündigung gedroht, wenn sie sich an der Aktion beteiligen. Trotzdem beteiligten sich auch ca. 2000 verbeamtete Lehrer an den Protesten. Unmittelbar nach der Aktion wurden ihre Gehälter gekürzt. Anderen Pädagogen droht ein ähnlicher Karriereknick wie Carstens und Mills.
Für den GEW-Vorsitzenden von Schleswig-Holstein, Matthias Heidn, kollidieren die Sanktionen mit der europäischen Rechtssprechung, die das Streikrecht erst jüngst gestärkt hat. Tatsächlich sollte die GEW die Repressalien zum Anlass nehmen, das vordemokratische deutsche Beamtenrecht infrage zu stellen. Schließlich wird am Beispiel von Schleswig-Holstein deutlich, dass es als Abschreckung gegen demokratische Aktivitäten eingesetzt wird und nicht nur engagierte Pädagogen disziplinieren soll. Auch den Schülern wird hier beigebracht, dass mit Nachteilen rechnen muss, wer seine eigenen Interessen vertritt. Das müssen sie oft selber erfahren, wenn sie sich während der Unterrichtszeit an Bildungsstreiks beteiligen. Erziehung zu mündigen Bürgern sieht anders aus.
Der Autor ist freier Journalist und lebt in Berlin.
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