50 Millionen pro Kilometer?
Gegner und Befürworter von Stuttgart 21 streiten über die geplante Neubaustrecke nach Ulm
Was soll die Schnellbahnverbindung kosten, die von der Bahn im Paket mit dem S21-Durchgangsbahnhof geplant ist: Wirklich »nur« 50 Millionen Euro – pro Kilometer? Gegen Mittag ist es dieser Punkt, der bei den Schlichtungsgesprächen für Kontroversen sorgt. Die Projektgegner haben Karlheinz Rössler aufgeboten, einen Verkehrsberater. Und der setzt nicht nur die Kosten der Neubaustrecke um satte 20 Millionen Euro höher an, sondern wirft auch eine Vergleichszahl in die Runde: Die Franzosen gäben für »ihren« Teil der Europa-Magistrale weit weniger aus, nämlich nur 10 Millionen Euro pro Streckenkilometer.
Expertensprache gerügt
Ein gefühlter Punkt für die Gegner, obwohl man natürlich berücksichtigen müsste, in welchem Gelände in Frankreich für höchstens ein Fünftel der Kosten gearbeitet worden ist. Und schon am Morgen schien ein Trumpf der Projektgegner gestochen zu haben: Michael Holzhey von der Planerfirma KCW. Der Verkehrsexperte zerhaute in wenigen Sätzen das Neubaustreckenprojekt – wenn er sich auch auf geschätzte Zahlen stützt und so nicht den vollen Kredibilitätsbonus erreicht. Weniger gut sieht an diesem Vormittag Florian Bitzer aus, ein junger Mann, den die Befürworter ins Rennen geschickt haben: Er referiert über Einzelheiten der Streckenführung, einen Tunnel unter der Stadt Göppingen oder eine Brücke über Plochingen, »Trassierungen«, die den meisten Zuhörern gar nichts sagen. Dann widerlegt Bitzer Ideen der Projektgegner – von denen diese wiederum sagen, sie hätten sie gar nicht geäußert. Und dann bekommt der Vertreter von »Wir sind S 21« auch noch den schärfsten Rüffel des Tages, als Schlichter Heiner Geißler ihn ermahnt: In Zukunft müsse darauf geachtet werden, zuerst die Pläne vorzustellen und dann die Kritik. Sonst komme am Ende doch niemand mehr mit! Ferner, so Geißler, seien ein Übermaß an Fachausdrücken sowie »Substantivierungen« zu vermeiden.
Nach der Mittagspause steht dann eigentlich »K 21« an, das auf der Basis des bestehenden Kopfbahnhofes entwickelte Gegenprojekt. Doch dazu kommt es dann kaum, es geht weiterhin um die Frage, inwieweit die Neubaustrecke den Verkehr zwischen Stuttgart und München, Mannheim und München oder Frankfurt und München verkürze – und wie viel Fahrgäste dabei auf die Bahn umsteigen könnten. Irgendwann versucht Geißler, einen Konsens festzuhalten: »Die Neubaustrecke als solche dient dazu, dass man schneller von Mannheim nach München fahren kann. Und dass Leute dann eben auf die Bahn umsteigen. Oder nicht?«
Paralleler Straßenausbau
Brigitte Dahlbender von Südwest-BUND widerspricht allerdings prompt. Und Gangolf Stocker von »Leben in Stuttgart« platzt dazwischen: »Und deswegen bauen Sie gleichzeitig die A 8 und die B 10 aus?« Diese Baumaßnahmen können die Befürworter nicht bestreiten. Bezüglich der Neubaustrecke betonen die Projektgegner, dass sich die Fahrzeit etwa zwischen Mannheim und München effektiver an anderer Stelle verbessern lasse, wo es weniger koste. Dann bleibe auch mehr Geld, den Regionalverkehr auszubauen – gerade auch auf der Schwäbischen Alb.
Auch an diesem Tag bleiben die Positionen unversöhnlich. Geißler aber lässt sich noch nicht entmutigen, was die von ihm als »Demokratieexperiment« bezeichneten Runden angeht. Bilanziert werde erst am Schluss und noch sei nicht aller Tage Abend. Allerdings sagt er das morgens um zehn, also vor der gestrigen Runde.
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