G20-Gipfel übt sich in Einigkeit
Industrie- und Schwellenländer wollen in Währungsfragen künftig enger zusammenarbeiten
Seoul (ND-Kestenholz/dpa). Die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrienationen und Schwellenländer haben sich zum Auftakt ihres Treffens in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul bemüht, Einigkeit zu demonstrieren. Noch im Vorfeld des fünften G20-Gipfels hatte es heftigen Streit über Währungsfragen und Handelsbilanzen gegeben.
In der Sache gab es zunächst kaum Bewegung. Bei einem rund 80-minütigen Treffen von US-Präsident Barack Obama mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao, bei dem es auch um die UN-Sanktionen gegen Iran ging, wurde fast ausschließlich über Wechselkurse gesprochen. Obama erneuerte die US-Forderung, China solle eine zügigere Aufwertung seiner Währung Yuan erlauben, um die Ungleichgewichte im bilateralen Handel zu verringern. Peking warnt aber, dass ein zu rascher Anstieg soziale und wirtschaftliche »Störungen« auslösen würde. Chinas Führung wirft ihrerseits den USA vor, mit einer zu lockeren Geldpolitik den Dollarkurs drücken zu wollen. Bei ihrem Treffen vereinbarten Obama und Hu, in Zukunft die Zusammenarbeit zu verstärken. Chinas Staatschef erklärte, er hoffe trotz allen Streits auf ein »positives Ergebnis«.
Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso äußerte am Rande des Gipfels die Hoffnung, dass zu strittigen Fragen angemessene Kompromisse gefunden werden. Jedoch verwies der südkoreanische G20-Sprecher Kim Yoon Kyung auf bestehende Meinungsverschiedenheiten im Umgang mit steigenden Handelsungleichgewichten. Unterhändler rechneten mit einer Nachtsitzung, um die Abschlusserklärung fertigzustellen.
US-Finanzminister Timothy Geithner hatte vor dem Gipfel vorgeschlagen, Exportwirtschaften wie Deutschland und China sollten sich darauf verpflichten, ihre Handelsüberschüsse auf vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen. Dem erteilte unter anderem die deutsche Regierung eine deutliche Absage. Obama und Kanzlerin Angela Merkel räumten nach Angaben aus Regierungskreisen bei einem Vieraugengespräch ein, dass es nicht gut sei, über die Medien Angriffe zu führen. Aus US-Delegationskreisen verlautete jetzt, dass man sich mit gesichtswahrenden, unverbindlichen »Leitlinien« zufrieden geben könnte. Offenbar wird der Gipfel sich zudem darauf einigen, dass die Waren- und Kapitalströme künftig besser beobachtet werden, um rechtzeitig übermäßige Überschüsse und Defizite zu vermeiden.
Eine stärkere globale Koordinierung der Wirtschaftspolitik dürfte im Abschlussdokument lediglich als Wunschdenken verankert werden. Konkrete Ergebnisse sind vom Seoul-Gipfel dagegen bei verschärften Risikovorschriften für Banken, Hedgefonds und größere Finanzinstitute zu erwarten.
In der Innenstadt von Seoul demonstrierten am Donnerstag erneut bis zu 10 000 Globalisierungskritiker, die aber nicht bis zum Nationalmuseum durchkamen, wo die Staatsgäste zu einem Arbeitsdinner zusammengetroffen waren. Studenten, Mitglieder von rund 80 nicht-staatlichen Organisationen und Gewerkschafter forderten Jobsicherheit, eine faire Verteilung des Wohlstands sowie die Rücknahme eines geplanten Freihandelsabkommens zwischen USA und Südkorea. Als eine Frau sich mittels Farbverdünner selbst anzuzünden versuchte, schritten Sicherheitskräfte ein. Seite 16
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