Tauziehen um Irland-Hilfen

Dissonanzen im Euroraum über den Umgang mit der Schuldenkrise

Vor dem Treffen der Euro-Finanzminister am Dienstagabend in Brüssel gab es bezüglich etwaiger Hilfen für Irland einen vielstimmigen Chor.

Theoretisch gibt es in der EU seit dem Frühjahr einen Mechanismus, wie finanziell schwer angeschlagene Euro-Staaten unter den Rettungsschirm von EU-Kommission, Mitgliedstaaten und Internationalem Währungsfonds (IWF) schlüpfen können. Doch um Irland, das unter der Krise der heimischen Banken leidet, gibt es seit einigen Tagen ein chaotisches Tauziehen.

Befürworter von Hilfen argumentieren, damit würde die Ansteckungsgefahr für andere Länder gemindert. Insbesondere die deutsche Regierung und die Europäische Zentralbank (EZB) drängen sogar Dublin, Hilfsgelder zu beantragen – die Rede ist von 60 bis 90 Milliarden Euro. Die EZB will vor allem ihr umstrittenes Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen von Euro-Ländern nicht stärker ausweiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble machen sich Sorgen um deutsche Banken – etwa die verstaatlichte HRE –, die zu den Hauptgläubigern Irlands zählen.

Paradoxerweise wollte die irische Regierung selbst bisher keine Hilfen beantragen. Zu den Voraussetzungen der Gewährung würde nämlich zählen, dass Dublin in der Haushaltspolitik die Souveränität weitgehend abgeben müsste. Zwar hat man bereits massive unsoziale Sparprogramme beschlossen, die auf Protest in der Bevölkerung stoßen. Doch will man sich vor allem nicht zu Änderungen in der Steuerpraxis drängen lassen – in Irland gibt es einen extrem niedrigen Körperschaftsteuersatz von gerade mal 12,5 Prozent, mit dem man viele Konzerne auf die Insel gelockt hat. Ohnehin hat der irische Staat – zu hohen Zinsen freilich – so viel Geld aufgenommen, dass man bis Juni 2011 über die Runden kommt. Daher lehnen vor allem kleine, finanzstarke Staaten wie Finnland Gelder für Irland ab – sie wollen Hilfen auf absolute Notfälle beschränkt wissen. Und auch die EU-Kommission möchte nichts überstürzen. Es gibt nämlich Befürchtungen, dass Spekulanten sich dann auf das nächste Opfer stürzen würden – etwa Portugal oder gar das Schwergewicht Spanien, dessen Rettung den Euro-Rettungsschirm an den Rand seiner Möglichkeiten bringen dürfte.

Einige Länder, die von Spekulanten massiv attackiert werden, werfen indes Deutschland vor, für die jüngste Zuspitzung mit verantwortlich zu sein. Die Berliner Forderung nach Insolvenzverfahren für angeschlagene Länder habe »eine Spirale steigender Zinsen für die Länder ausgelöst, die in einer schwierigen Position sind«, klagte etwa der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou.


Lexikon

Klamme Euro-Länder können im Notfall auf einen im Frühjahr geschaffenen Rettungsschirm zurückgreifen. Der in Luxemburg ansässige Fonds mit dem Namen »Europäische Finanz-Stabilitäts-Fazilität« (EFSF) besorgt sich die im Krisenfall benötigten Mittel über Anleihen am Kapitalmarkt, die von allen Euro-Ländern mit bis zu 440 Milliarden Euro garantiert werden. Hinzu kommen eine Sonderkreditlinie der EU-Kommission von 60 Milliarden Euro und 250 Milliarden Euro vom IWF. Der bis 2013 bestehende Krisenfonds wurde bisher nicht in Anspurch genommen; für Griechenland steht ein gesondertes Hilfspaket von 110 Milliarden bereit. Bevor der Fonds einspringen kann, müssen strenge Bedingungen erfüllt sein. Die EFSF läuft Ende Juni 2013 aus. Dann soll eine dauerhafte Einrichtung folgen. dpa/ND

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