Training statt Naschen

Regelmäßiger Ausdauersport kann den Blutdruck senken

  • Walter Willems
  • Lesedauer: 4 Min.
In Deutschland leiden 16 Millionen Menschen an Hypertonie, betroffen ist jeder zweite Bundesbürger über 60. Die meisten Betroffenen schlucken dagegen mehrere Medikamente. Aber auch mit anderen Mitteln könnten viele Patienten den Blutdruck senken und die Zahl oder zumindest die Dosis ihrer Arzneimittel deutlich verringern.
Rennsteiglauf 2010: Keine Chance dem Bluthochdruck. ND-
Rennsteiglauf 2010: Keine Chance dem Bluthochdruck. ND-

Das Problem kann viele Ursachen haben: Alkohol, Stress, Schlafstörungen, Nierenbeschwerden oder hormonelle Probleme können den Blutdruck in die Höhe treiben, meist in Verbindung mit einer genetischen Veranlagung. Weil auch das Alter zu Bluthochdruck beiträgt, rechnen Experten angesichts der demografischen Entwicklung in den kommenden Jahren mit deutlich mehr Patienten.

Schon jetzt zählt Hypertonie, also ein Wert ab 140 zu 90, zu den häufigsten Gründen für Arztbesuche. Dass die Erkrankung zunächst kaum akute Beschwerden verursacht, hat ihr den Ruf als »lautloser Mörder« eingetragen. Denn dass der hohe Druck maßgeblich zu Herzinfarkten und vor allem zu Schlaganfällen beiträgt, steht außer Frage. Ausgehend von einem oberen, systolischen Wert von 115 steigert jede weitere Erhöhung um 20 Punkte die Mortalität durch Herz-Kreislauferkrankungen etwa um das Doppelte.

Zur Behandlung einer Hypertonie setzen Ärzte und Patienten meist auf Medikamente. Fünf Wirkstoffklassen der ersten Wahl zeugen zwar von einer üppigen pharmakologischen Auswahl. Aber nur selten genügt ein Präparat, um den Blutdruck in den Normbereich zu bringen. »Der Patient, der mit einer Tablette auskommt, ist die Ausnahme«, sagt Egbert Schulz vom Blutdruckinstitut Göttingen. »Eine Blutdrucktherapie basiert auf durchschnittlich drei Medikamenten.«

Die Einnahme mehrerer Arzneien ist nicht unproblematisch. Sämtliche Wirkstoffe können Nebenwirkungen haben, die Therapie läuft gewöhnlich lebenslang. Daher raten Fachgesellschaften eindringlich auch zu anderen Ansätzen. Dass mitunter schon die Ernährung ausreicht, zeigt das Beispiel einer jungen Frau, bei der zunächst jede Therapie versagte. Nach mehreren gescheiterten Versuchen entdeckte Schulz, dass die Patientin täglich drei Packungen Katzen-Pfötchen verschlang. Daraufhin verordnete er ein striktes Lakritzeverbot. Das half. Doch der Fall ist eine Ausnahme. Meist müssen Patienten ihr Leben stärker umstellen. »Entscheidend ist die Verbesserung der körperlichen Fitness«, erläutert Hans-Georg Predel von der Deutschen Sporthochschule Köln. Regelmäßiger Ausdauersport drückt Studien zufolge den oberen, systolischen Wert im Mittel um sieben bis zehn Punkte, wobei manche Menschen sogar doppelt so stark profitieren.

Bei übergewichtigen Patienten wirkt meist auch ein Gewichtsverlust. Eine Abnahme um zehn Kilo senke den oberen Blutdruckwert um etwa 20 und den unteren Wert um zehn Punkte, so Predel. »Das kann sich mit den wirksamsten Medikamenten messen«, betont der Blutdruck-Experte. Auch wer täglich mehr als 50 Milligramm Alkohol trinkt – das entspricht einem knappen Liter Bier –, kann bei Drosselung des Konsums auf Besserung hoffen. Eine Salzreduktion nützt dagegen nur Menschen, die darauf sensibel reagieren – laut Predel etwa jeder zweite Patient. Dass überdies Entspannung den Blutdruck senkt, lässt sich mit einem Messgerät im Selbstversuch nachprüfen. Ob derartige Übungen aber dauerhaft gegen Hypertonie helfen, ist nicht gesichert. Unklar ist auch, ob sich die Wirkungen der verschiedenen Ansätze summieren. »Es scheint additive Effekte zu geben«, meint Predel vorsichtig.

Mit nicht-medikamentösen Ansätzen könnten die meisten Patienten die Zahl der Medikamente oder zumindest deren Dosis senken. »Deutlicher Bluthochdruck lässt sich nur selten ganz ohne Medikamente einstellen«, sagt Schulz. Aber Menschen mit moderatem Bluthochdruck, also bis zu einem oberen Wert von etwa 160, können mitunter ganz auf Arzneien verzichten. Allerdings reagiert nicht jeder Betroffene auf Sport, Diät oder Alkoholverzicht – ebenso wenig wie auf ein Medikament. Doch selbst wenn Ausdauertraining die Blutdruckwerte nicht bessern sollte, empfiehlt Predel körperliche Aktivität. »Sport beeinflusst viele Körperfunktionen günstig«, sagt er. »Im Vergleich zu einem passiven Hypertoniker hat der fitte Patient immer die bessere Prognose.«


Tipp: Sport

Patienten mit einem Blutdruck unter 180 zu 110 sollten gemäß der aktuellen Leitlinien von Anfang an ein Bewegungsprogramm absolvieren, möglichst nach fachkundiger Beratung. Experten raten vor allem zu Ausdauerdisziplinen mit mäßiger Beanspruchung wie Walken, Joggen, Radfahren, Schwimmen oder Skilanglauf sowie zu moderatem Einsatz bei Mannschaftsspielen wie Fußball oder Volleyball. Nicht ratsam sind dagegen starke Belastungen, etwa bei Leichtathletik, Badminton oder Squash. Ausdauerprogramme wirken Studien zufolge schon nach etwa drei Monaten deutlich, wobei der Effekt individuell stark schwankt. Manche Patienten profitieren nicht, bei anderen fällt der obere Blutdruckwert um bis zu 25, der untere um 15 Punkte. wwi

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