Abenteuer vor Trojas Mauern
Shakespeare im Studiotheater bat Berlin
Sie wollen doch nur spielen, die starken Kerle, ob sie nun Griechen oder Trojaner sind. Nach sieben Jahren Krieg ist sowieso alles langweilig, also muss ein bisschen Spaß her, mit fantastisch wilden Klamotten und martialischer Bemalung, mit lustvollem Gebrüll und ein bisschen Balgerei. Toll muss das aussehen, und großartig tun sie alle, wenn sie nicht gerade vor Angst schlottern und in Verstecke flüchten – könnte ja sein, dass einer den Krieg doch noch ernst nimmt. Und wenn da plötzlich eine »Dame« zur Verfügung steht, wissen die quietschbunten Helden schon, was man mit der außer heftigster Küsserei noch so alles anfangen kann ...
Veit Schubert hat mit Studenten der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« Berlin Shakespeares zwischen Komik und Tragik, Bosheit und Spott changierendes Stück »Troilus und Cressida« inszeniert, mit deftigem Spaß, nicht mit loderndem Zorn. Die schier endlose, blutige, alles Menschliche höhnisch niederreißende Schlägerei vor den Toren Trojas übersetzt er in die wilde Lebenslust – und Lebensangst – aufgeputschter junger Leute, die Spaß haben wollen mitten in der Schlächterei.
Und so probieren seine griechischen und trojanischen Heroen alles, was gerade greifbar ist. Sie stürzen sich in Rausch und Wollust, hören süße Musik, rauchen Wasserpfeife, spielen Schach, probieren die Spielarten gleichgeschlechtlicher Liebe und bleiben doch gelangweilt. Aber es wird auch geseufzt und geträumt. Troilus und Cressida, das vom Kuppler Pandarus zusammengeredete und zusammengeschobene Liebespaar, darf höchst vorsichtig ein authentisches Gefühl auf die Bühne bringen.
Mit dem Charme dieser noch nicht in Schuld gestürzten jungen Menschen durchbricht Veit Schubert das wüste Treiben der Krieger. Juliane Fisch und Patrick Bartsch zeigen im Umgang mit der weißen Bettdecke sehr vorsichtig das Erwachen von Sinnlichkeit, das Durchbrechen von Scheu. Ohne eine leise Ironie, einen Hauch von Dümmlichkeit bleibt das freilich nicht – auch die Liebenden können sich aus ihrer Umwelt nicht lösen.
Aufregend, mitreißend ist überhaupt, was die neun Studenten des dritten Studienjahres als mal so, mal anders gefügte Truppe der Griechen und Trojaner leisten. Mit kreatürlicher Lust knallen sie die Helden auf die Bretter, aufgebaut von Stephan Fernau in sanfter Biegung nach oben und zu den Seiten unter blütenweißem Baldachin. Sie toben und sie schreien, sie werfen sich in Positur, sie rennen und fliehen, fallen übereinander her, scheuen keinen körperlichen Einsatz. Anna Gesewsky spielt den streitgeilen Ajax mit umwerfend kindischer Angeberei und geistiger Unterbelichtung, da sitzt jede Bewegung, jedes Zucken im Gesicht erzählt von Selbstüberhebung und Eitelkeit. Plötzlich dann ist Gesewskys Ajax auch mal Helena – und diese Lust an Verkleidung und Umkleidung, dieses höhnisch schnelle Abstreifen einer Rolle und das Hineinstürzen in die nächste, andere macht den Reiz der in Kooperation mit Bayer Kultur Leverkusen entstandenen Aufführung aus – immerhin schreibt Shakespeare mehr als zwei Dutzend Rollen vor.
Den Außenseitern im Heldenzirkus, Thersites und Pandarus, gehört dabei besondere Aufmerksamkeit. Maria Thomas spielt den Unterklassigen, den Ansager, den verprügelten Diener mit verschmitztem Trotz und aufmüpfiger Klugheit, Carl Niclas Rohrwacher den Pandarus mit störrischer Hingabe ans schweißtreibende, undankbare Kuppelgeschäft. Auch die anderen müssten genannt werden – es triumphiert ein Ensemblespiel von geballter Kraft und unbändiger Lust an der Entlarvung blödsinniger kriegerischer Besessenheit.
Aufführungen: 10., 11., 12.12.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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