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Schmuck in der Fassung

Margarete Wein gibt die Märchen ihres Großvaters weiter

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.

So etwas wie eine Zuneigung auf den ersten Blick gibt es natürlich auch bei Büchern. Doch hier ist die äußere Erscheinung eher unauffällig. Ein Holzschnitt von Burg Giebichenstein (Ulrich Bewersdorff) schmückt als Relief zurückhaltend den Einband. Die Schrift sticht in Form und Größe nicht hervor. Der Titel »Das Felseneiland« und die Zeile »Großvater Buchholtz und sein Märchenbuch« sind freilich in einem zarten Gold gehalten. Gerade auch solch offenkundig absichtsvolle Zurückhaltung kann neugierig machen.

Sollte es auch. Denn ganz auf ihre Weise stimmt die Form auf den Inhalt ein. Wer blättert nicht gern in einem noch fremden, einem neuen Buch. Hier eine Zeile, dort ein Absatz, später vielleicht das ganze Buch. »Der Großvater holte das Märchenbuch hervor, rieb mit dem rotweißkarierten Taschentuch die Gläser seines altmodischen Kneifers blank, klemmte ihn sich auf die Nase und las: ...«

Die »Zwei Ritter« als erstes und vielleicht als Anfang. »Da war mal so ein kleines Dorf an einem großen See.« Die Sprache lädt zum Vorlesen ein, hoffentlich auch zum Zuhören. Die Wortwahl ist einfach, die Sätze sind von klarer Struktur, die Aussagen leicht verständlich. Wie schwer das ist und wie selten, weiß nicht nur, wer selbst schreibt. Auf das Ende kann man sich freuen, es lautet fast klassisch. »Und wenn sie noch leben ... ja, dann ... genießen sie bis heute ihr Glück.«

Dazwischen treiben Ritter, Kröten, Zwerge, Osterfrösche oder auch die schöne Kora im Hexenhäuschen ebenso wie das Ungeheuer mit den feuersprühenden Augen ihr Wesen und Unwesen. Es hat schon etwas, wenn gerade mit dem Blick auf eine Burgruine von Rittern erzählt wird. Malerische Orte geben den Märchen ihre Kulisse.

Da ist denn auch Illustration von besonderem Reiz. Hier fanden Autorin und Verlag eine eher ungewöhnliche Lösung. So sind die 13 Märchen des Großvaters mit Bleistift- und Federzeichnungen oder auch Mischtechniken ergänzt, die von Schülern des Burggymnasiums in Wetttin geschaffen wurden. Die Stadt Halle ist mit Federzeichnungen und vor allem Holzschnitten des 2008 verstorbenen Künstlers Ullrich Bewersdorff ins Bild gesetzt.

Märchen gibt es, ihre Schauplätze und auch der Großvater sind Wirklichkeit. Robert Buchholtz (1886-1960) war Hausbesitzer und Hobbygärtner, Gelegenheitsdichter, Freizeitmaler, Weltverbesserer und Despot, Lebenskünstler und Spekulant, gibt Enkelin Margarete Wein kund. Der Großvater schrieb mit Bleistift seine Märchen und las sie vor. Als Kind habe sie ab und an den Satz gehört, das müsste man mal drucken lassen. Sie hat es nun getan.

Da war nicht nur die Schrift zu entziffern. Margarete Wein (geb. Buchholtz) hat etwas Geschichte herum um den Märchenerzähler und seine Zuhörerin gefügt. Das ist wie bei Schmuck eine Fassung, erzählt von Kindheit und Halle an der Saale. Hier ging Margarete Wein zur Schule, studierte sie, wurde an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg promoviert, redigierte das Unimagazin »scientia halensis«. Im vergangenen Jahr erschien ihr Lyrikband »ZeitDruck für Mußestunden«, derzeit bereitet sie weitere Gedichte zur Veröffentlichung vor.

Margarete Wein: Das Felseneiland. Großvater Buchholtz und sein Märchenbuch. Ill. v. Ullrich Bewersdorff und Schülern des Burggymnasiums Wettin. Mitteldeutscher Verlag. 192 S., geb., 18 €

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