Überall die Hand des Führers der Nation

Kasachstan sieht sich als Tiger Zentralasiens

  • Detlef D. Pries
  • Lesedauer: 2 Min.
Inmitten futuristischer Bauten erhebt sich im Zentrum Astanas der Baiterek, der »Baum des Lebens« als Wahrzeichen der Hauptstadt. Gekrönt wird der Turm durch eine vergoldete Kugel, in deren Innenraum Besucher ihre Hand in einen Abdruck der Hand Nursultan Nasarbajews legen können, des Präsidenten und »Führers der Nation«.

97 Meter hoch ist der Baiterek, denn im Jahre 1997 war es, als Nursultan Nasarbajew Kasachstans Hauptstadt von Almaty in die Steppe verlegte und dort ein »zentralasiatisches Dubai« aus dem Boden stampfen ließ. Geschichtslos war der Ort nicht: Schon 1824 war die russische Festung Akmolinsk entstanden, die 1961 in Zelinograd (Neulandstadt) umbenannt wurde. Im unabhängigen Kasachstan Akmola genannt, erhielt die einstige Provinzstadt 1998 offiziell den Namen Astana. Das heißt nichts anderes als »Hauptstadt«.

Nasarbajew ließ internationale Stararchitekten engagieren, dank deren Entwürfen Astana – das heute bereits mehr als 700 000 Einwohner zählt – bis 2030 zu einer der modernsten Städte der Welt werden soll. Beeindrucken will man die 5000 ausländischen Gäste, die anlässlich des OSZE-Gipfels in Astana erwartet werden, schon heute. Besucher aus anderen Teilen Kasachstans, das achtmal so groß ist wie die Bundesrepublik, aber nur gut 16 Millionen Einwohner hat, können angesichts der Pracht, die ihren eigenen Lebensverhältnissen ganz und gar nicht entspricht, nur staunen.

Bezahlt wurde der Bau Astanas mit den Milliarden, die Kasachstan durch den Rohstoffexport erlöst. Fast drei Viertel des kasachischen Exports machten 2009 Öl und Ölprodukte aus. Außerdem besitzt das Land mehr als 20 Prozent der Uranvorkommen der Welt. Der Rohstoffreichtum sorgte von 1999 bis 2007 für ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 9,3 Prozent. Erst der Preisverfall in der globalen Wirtschaftskrise ließ die Zuwachsraten sinken – und machte zugleich die Gefahr der einseitigen Abhängigkeit vom Rohstoffexport deutlich. Die Regierung hat sich in einer »Strategie 2030« deshalb das Ziel gesetzt, die Wirtschaft zu diversifizieren. Ein »Megaprojekt« ist der im Bau befindliche Transportkorridor zwischen Osteuropa und Westchina, durch den Kasachstan zu kürzesten Brücke zwischen den Kontinenten werden will.

Kein Offizieller in Kasachstan vergisst freilich hervorzuheben, dass alle Pläne und Projekte die Handschrift des 70-jährigen Nursultan Nasarbajew tragen, der noch dem letzten KPdSU-Politbüro angehörte und seit 20 Jahren Präsident ist. Zwar bestimmt die Verfassung, dass sich ein Präsident künftig nach fünfjähriger Amtszeit nur noch einmal zur Wiederwahl stellen darf, doch gilt das nicht für Nasarbajew. Den ernannte das Parlament im Sommer auf Lebenszeit zum »Führer der Nation«. Jerbol Kurmanbajew, Chefredakteur der kommunistischen »Prawda Kasachstana«, nennt ihn dagegen schlicht einen Autokraten.

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