Sie saufen, sie lügen ...

Angeles Mastretta aus Mexiko bleibt ihrem Lieblingsthema treu

  • Uwe Stolzmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Angeles Mastretta, geboren 1949 in der Provinzstadt Puebla, lebt in einer feinen Gegend von Mexiko-Stadt, in Chapultepec; die Herrscher des Landes wohnten lange Zeit gleich um die Ecke. Ihr Viertel ist eine Art Ghetto: abgeschieden vom Lärm und Schmutz des Molochs, von der Gewalt, vom permanenten Verkehrschaos. In die wirkliche, die laute Welt von Mexiko-Stadt geht die Schriftstellerin nicht gern hinüber. Und wenn sie es tut, dann (so sagt sie im Interview) immer mit Ohrenstöpseln. Am liebsten schickt sie Boten, die Figuren ihrer Prosabände, geschaffen in der Abgeschiedenheit von Chapultepec.

Seit ihrem Romandebüt – »Mexikanischer Tango« (1985) – ist die Journalistin eine Berühmtheit. Weil sie das schrecklich schöne Mexiko romantisierte. Im Buch berichtete eine Ich-Erzählerin von ihrer Ehe mit einem Politiker. Und moderat kritisierte die Dame die Zustände in ihrer Heimat, vor allem den Machismo. Bei dieser Konstellation – rebellische Frauen, Frauen, die vorsichtig Kritik üben, Kritik an Männern – sollte die Verfasserin fortan bleiben. Sie ist weit damit gekommen: 1997 stand sie auf einem Literatur-Olymp. Für den Roman »Emilia« (Küsse und Pulverdampf ..., forsche Apothekerstochter schlägt sich durch die Wirren der Revolution ...) erhielt sie den wichtigsten Literaturpreis Südamerikas, den Premio Rómulo Gallegos. Als erste Frau. Einige Kritiker interpretierten diese Ehrung als Zeichen einer Krise des lateinamerikanischen Romans. In Wirklichkeit verneigten sich die Juroren wohl nur vor dem Mainstream.

»Ehemänner!« – (mit dem autoritären spanischen Ausrufezeichen) zeigt sie Vertreter des starken Geschlechts abermals von ihrer schlechten Seite. Oberflächlich sind sie, geckenhaft, gefangen in den Rollenklischees der 1950er. Oft saufen sie, fast immer nerven sie, sie lügen und betrügen – fort mit ihnen. Die Frauen, die Ana, Luz, Natalia heißen, Dolores und Dominga, Camilla, Carmen, Claudia, die Frauen sind wieder stark und souverän, beherrschen den Kampfplatz der Geschlechter.

In knapp zwei Dutzend Texten wird das kleine Einmaleins komplizierter Partnerschaften durchexerziert. »Laut Aussage der Therapeutin neigen wir zu gestörten Beziehungen«, sagt die Schwester einer Protagonistin; aber, ergänzt sie: »Gestört sind wir doch alle.« Manche Stücke sind nur wenige Zeilen lang, eher Bonmot denn Erzählung. Manche Szenen sind schnell und elegant erzählt, sind witzig oder böse ironisch. Andere klingen so kitschig wie befürchtet. Eine Dame – dem treulosen Gemahl entflohen, nun aber rückkehrwillig – ist »nur noch ein einziger See des Friedens und des Vergessens«. Über einen Beau heißt es, er sei »ein Muster von einem Mannsbild mit zupackenden Händen und munter blitzenden Augen, das sich einst für den Liebling der Götter gehalten hatte.« Manchmal – wohl um dem Vornamen der Verfasserin zu huldigen – gehen Engel durch den Text.

Die Autorin präsentiert einen Reigen, einen Querschnitt, Provinz und Metropole, arm oder wohlhabend, tumb oder akademisch klug, sie offeriert ein Bild jener Gesellschaft, in der sie zu leben meint. Sie hat die kontrastierenden Sphären dieser Gesellschaft schön ins Licht gerückt, hat die Kulissen ausgeleuchtet. Aber: Allzu schrecklich reale Dinge, so schreckliche Dinge wie die hundertfachen Frauenmorde im fernen Ciudad Juárez, gibt es in Mastrettas Mexiko nicht.

»Ehemänner!« bietet ein bißchen Bollywood, ein bisschen Hollywood, bisweilen glaubt man Anthony Quinn zu sehen, bisweilen fühlt man sich an andere Texte und Autoren erinnert: an den alternden Carlos Fuentes, an Cristina Peri Rossi aus Uruguay, an einen Erzählband Mastrettas von 1990 (»Frauen mit großen Augen«). Oder an das Geplauder der omnipräsenten Isabel Allende-Gioconda Belli-Laura Esquivel. Kurz: »Machismo und starke Frau« ist ein heftig strapazierter Topos der lateinamerikanischen Literatur. Das Prosabändchen erfüllt jedoch den legitimen Anspruch auf Kurzweil, Unterhaltung, es ist handwerklich gut gemacht.

Die Sammlung »Maridos«, 2007 in Barcelona erschienen, umfasste in der Erstausgabe 48 Texte. In Mexiko, Argentinien und Spanien stand das Werk lange auf den Bestsellerlisten. Bei Suhrkamp traf man eine Auswahl. Das komplette Konvolut der Männerverdammung mochte man deutschen Leserinnen wohl nicht zumuten.

Angeles Mastretta: Ehemänner! Erzählungen. Aus dem Spanischen von Petra Strien. Suhrkamp. 201 S., brosch., 11,90 €.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.