US-Autogigantomanie: Die Mär vom Umdenken
Auf der am Montag eröffneten Automesse in Detroit sind Spritschlucker die eigentlichen Stars
Das ist kein Auto mehr: Der GMC Sierra All Terrain hat mit seinen fast sechs Metern Länge und mehr als zwei Metern Höhe die Ausmaße eines kleinen Lastwagens. Und doch würden viele Familienväter in den USA den monströsen Pick-up-Truck mit seinem 397 PS gerne ihr Eigen nennen. Der GMC Sierra aus dem Hause General Motors (GM) ist ein Blickfang auf der North American International Auto Show, die gestern in Detroit gestartet ist. Und er steht exemplarisch für das Treiben auf den Highways.
Denn Klimaschutz hin, Parkplatznot her: Die US-Amerikaner lieben es einfach groß, schwer und PS-stark. Im vergangenen Jahr, in dem sich der Automarkt spürbar erholt hat, haben sie mehr der sogenannten »Light Trucks« gekauft als normale Pkw. Das Umdenken, das scheinbar in der Wirtschaftskrise eingesetzt hatte, erwies sich als Strohfeuer. Seitdem sich die konjunkturellen Aussichten bessern und das Geld wieder etwas lockerer sitzt, steigen auch die Absatzzahlen für die nicht ganz billigen Dinosaurier der Straße. Die Zahlen, die der Marktforscher Autodata für 2010 errechnet hat, sprechen eine klare Sprache: Während die Verkäufe von Pkw um vergleichsweise moderate fünf Prozent gestiegen sind, legten die Pick-up-Trucks, Geländewagen und Transporter um 18 Prozent zu.
»Viele Trucks und Geländewagen sind von Gewerbetreibenden gekauft worden«, so die Analystin des Autoportals Edmunds.com, Michelle Krebs. Doch nicht jeder Käufer ist Handwerker. Was hierzulande der VW Golf ist – nämlich das meistverkaufte Auto – sind in den Vereinigten Staaten seit Langem die F-Serie-Pick-ups von Ford. Der zweitgrößte US-Autohersteller konnte im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Million davon unters Volk bringen. Zum Vergleich: Der mit viel Tamtam auf der vergangenen Auto-Show in Detroit präsentierte, runderneuerte Kompaktwagen Ford Focus verkaufte sich nicht mal ein Drittel so gut.
Auch die deutschen Autobauer profitieren von der Gigantomanie der US-Autofahrer: Für massige Geländewagen wie den BMW X5 und X6, die Mercedes M- und GL-Klasse oder den VW Touareg sind die Vereinigten Staaten ein entscheidender Markt. Nicht ohne Grund hat BMW hier gerade erst sein Werk ausgebaut und damit den Großteil seiner Geländewagen-Fertigung in Spartanburg in South Carolina angesiedelt. In dem für US-Verhältnisse nicht weit entfernten Tuscaloosa in Alabama laufen die Konkurrenzmodelle von Mercedes vom Band.
Die deutschen oder asiatischen Hersteller sind jedoch bei Weitem nicht so abhängig vom Erfolg der Dickschiffe wie die »Großen Drei« aus Detroit. Diese Abhängigkeit hat General Motors und Chrysler in der Wirtschaftskrise fast das Genick gebrochen, als plötzlich billigere und kleinere Wagen gefragt waren. Die US-Hersteller haben daraus gelernt und bieten nun ebenfalls Kleinwagen an: Ford hat seinen Fiesta über den großen Teich geholt, Chrysler hat sich den kultigen Fiat 500 aus Italien gesichert und GM stellt auf der Messe in Detroit den komplett neuen Chevrolet Sonic vor.
Und auch bei den Pick-up-Trucks und Geländewagen tut sich etwas: Aus den knochigen Haudegen haben die Entwickler mittlerweile schicke Stadtflitzer mit Pkw-ähnlichen Fahreigenschaften gemacht. Für die US-Amerikaner gilt ein Auto wie der Chevrolet Equinox mit je nach Variante rund neun Litern Durchschnittsverbrauch auf 100 Kilometern dann schon als sparsam. Gegenüber Riesen-Pick-Ups vom Schlage eines GMC Sierra stimmt das sogar: Das Monstrum schluckt schnell mal 20 Liter.
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