Brisbane geht langsam unter
Anwohner zum Verlassen der Flutgebiete aufgefordert / 57 Evakuierungszentren
Das von Jahrhundertüberflutungen bedrohte Brisbane war am Mittwoch zu einem strahlend blauen Sommertag erwacht. Die Idylle täuschte, die drittgrößte Stadt Australiens befand sich im Ausnahmezustand. In der Nacht auf Donnerstag wurde ein Rekordstand des Brisbane Rivers erwartet. Ein kleiner Lichtblick war, dass Meteorologen ihre Vorhersagen revidierten. Die schlammig-braunen Wassermassen sollten unter der zunächst befürchteten Höchstmarke von 5,5 Metern bleiben.
Bisher ertranken in der Region zwölf Menschen, Tausende wurden evakuiert. Bürgermeister Campbell Newman rechnet mit 20 000 überfluteten Häusern. Verkehrsampeln verschwanden in den Fluten. Doch anders als am Montag im Hinterland, als ein Festlandtsunami mindestens ein Dutzend Menschen in den Tod riss, stieg der Pegel in und um Brisbane gemächlich. In 57 Evakuierungszentren fanden 3500 Menschen Zuflucht. 25 Helikopter brachten Eingeschlossene in Sicherheit. Mit Kameras wurden überflutete Häuser aus der Luft nach eingeschlossenen Opfern abgesucht.
In Vororten war von Häusern nur noch der Giebel zu sehen, doch ließen sich Schaulustige nicht beeindrucken. Zwar zerstörten die Fluten prominente Gebäude, darunter das berühmte Drift Café am Brisbane River, auch die Vergnügungsmeile am Eagle Street Pier, ein riesiges Sportstadion und Stadtpärke standen tief unter Wasser. Dennoch säumten Hunderte noch trockene Stellen entlang der innerstädtischen Wasserlandschaft, als gelte es, ein Jahrhundertspektakel nicht zu verpassen. Queenslands Regierungschefin Anna Bligh blieb nur zu sagen: »Das ist keine Touristenattraktion, das ist eine äußerst ernste Sache.« Bligh, die die Solidarität der Bevölkerung lobt, wird von den Medien mit Lob für ihre Präsenz und Umsicht überhäuft, während Australiens Premierministerin Julia Gillard schlecht wegkommt. Gillard wirkt bei Auftritten steif und verhaspelt sich, während Bligh souverän die Aktionen von Behörden und Rettungskräften koordiniert und die Bevölkerung mit regelmäßigen Pressekonferenzen über den Stand informiert.
Von den Fluten bedrohte Anwohner wurden von Blighs Krisenstab gewarnt, nicht bis zur letzten Minute mit der Flucht zu warten: »Wir brauchen keine Leute, die um Mitternacht um ihr Leben kämpfen. Die Leute sollten spätestens am Nachmittag aus ihren Häusern sein«, sagte der für die Rettungsdienste zuständige Neil Roberts. Die Polizei forderte Anwohner pausenlos zur Evakuierung auf. In der Innenstadt entlang der beständig steigenden Wasserlinie vertrieb sie vor Sonnenuntergang zahllose Schaulustige. Nur langsam verwandelte sich Brisbane in eine Geisterstadt. Der »Untergang« Brisbanes lieferte nicht die dramatischen Bilder wie am Montag, als Menschen bei Toowoomba in reißenden Fluten um ihr Leben kämpften. Dort wurde die Nation Zeuge, wie eine dreiköpfige Familie auf dem Dach ihres Autos in einem tosenden Fluß auf Rettung wartete. Bligh bestätigte inzwischen, Mutter und Kind seien gerettet worden, vom Vater fehle jede Spur. Ganze Familien gehören zu den noch rund 40 Vermissten.
Aus der überfluteten Stadt Ipswich wurden überdies Plünderer gemeldet, was den lokalen Polizeichef zur wütenden Bemerkung verleitete, wenn er diese Kerle erwische, werde er sie als »Markierung« verwenden. In Brisbane sind über Nacht Polizisten mit Schnellbooten im Einsatz. Wer die Katastrophe für Raub nutze, so Bligh, spiele mit dem Leben.
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