Zu hohe Preise für Lebensmittel

Spekulation und Klimawandel führen in Bolivien zu Hunger und Armut

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 2 Min.

In Bolivien machen sich die weltweit gestiegenen Nahrungsmittelpreise spürbar bemerkbar. Die Regierung versucht gegenzusteuern.

Medien sprechen von einer »Zeitbombe«, die neben den sozialen Auswirkungen wie Hunger und Armut auch das Geschäft mit verknappter Nahrung anheize. Betroffen ist die gesamte Produktpalette des täglichen Lebens. Zucker, Kartoffeln, Hühner- und Rinderfleisch sowie Reis und Mais haben innerhalb der vergangenen Wochen einen drastischen Preissprung um 25 bis 50 Prozent gemacht. Nach einer schlechten Zuckerernte 2010 im amazonischen Tiefland rechnet man allerdings mit einer »guten Zuckerrohrernte«, hieß es aus Regierungskreisen. Zudem soll Zucker aus Kolumbien und Brasilien importiert werden.

Ursache ist nicht nur der internationale Preisanstieg bei Lebensmitteln. Wie bereits zwischen 2008 und 2009 sei das Andenland »von internationalen Konjunkturen und Naturkatastrophen« gleichzeitig betroffen, erklärt Gonzalo Flores, Regionalvertreter der Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) der Vereinten Nationen.

Die gestiegenen Lebenshaltungskosten setzen La Paz unter Druck. Vizepräsident Álvaro García Linera ist auf Schadensbegrenzung aus. Für Wartezeiten durch lange Schlangen vor Geschäften bat er um »Entschuldigung«. Die Regierung habe »die Lektion gelernt«. Um Engpässe zu vermeiden, werde man Vorräte anlegen, so der Vize. José Manuel Pinto, Vizeminister für Landfragen, kündigte den Aufkauf »strategischer Produkte« wie Mais, Reis, Soja, Kaffeebohnen und Zucker an, um sie landesweit zu verteilen.

Doch die Versuche der Regierung, explodierende Preise und Knappheit durch staatliche Subventionen und Aufkäufe zu deckeln, werden von lokalen Händlern gnadenlos ausgenutzt. Direkt neben der staatlichen Nahrungsmittelkette »Unternehmen für die Förderung der Lebensmittelproduktion« (EMAPA) in der Andenmetropole und Armenstadt Al Alto werde subventionierter Zucker zu Marktpreisen verkauft, berichtet die Tageszeitung »La Razón«. In den staatlichen Geschäften kostet ein Sack Zucker mit dem Gewicht von einer Arroba (11,51 Kilogramm) aktuell 86,50 Bolivianos (8,90 Euro), der für 125 Bolivianos (12,80 Euro) in privaten Geschäften und auf den Marktständen weiterverkauft werde.

Da die Regierung mit diesem Problem gerechnet hatte, kann jede Person innerhalb von zwei Wochen nur einen Sack Zucker kaufen. Das wird jedoch umgangen, indem verschiedene Familienmitglieder als Strohmänner einkaufen. So musste Vize García Linera kürzlich einräumen, dass mindestens 30 Prozent der EMAPA-Kunden »Wiederverkäufer« seien. Jeder Regulierungsversuch seitens der Behörden wird damit konterkariert. Zudem wurde Boliviens Landwirtschaft 2010 von extremen Wetterverhältnissen geschädigt. Nach einer Dürreperiode im Frühjahr mit verheerenden Waldbränden folgten außergewöhnlich starker Regen. Experten machen den globalen Klimawandel verantwortlich. Das 9-Millionen-Einwohnerland zahlt die Rechnung für globale Spekulationen und umweltschädigendes Wirtschaften der Industrienationen. Dabei ist der eigene CO2-Verbrauch des Landes minimal.

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