Weltvertrag soll den Waffenhandel eindämmen
Vorbereitungsausschuss tagt ab Montag in New York
Der Handel mit sogenannten konventionellen Waffen boomt. Wissenschaftler belegen diese Entwicklung mit erschreckenden Zahlen. So konstatiert das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI, dass die 100 größten Waffenhersteller der Welt allein im Jahr 2009 Militärausrüstung im Gesamtwert von 401 Milliarden Dollar verkauft haben. Trotz der anhaltenden Rezession stieg der Umsatz binnen eines Jahres um acht Prozent. Drei Viertel aller Waffenexporte entfallen auf die USA, Russland, Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Auch das renommierte Internationale Konversionszentrum in Bonn BICC hat in seinem Jahresbericht 2010 einen ungebrochenen Trend wachsender Rüstungsexporte nachgewiesen. Kein anderer der weltweit führenden Waffenlieferanten hat in der vergangenen Dekade derart zugelegt wie Deutschland, das mit einem Anteil von 11 Prozent nach den USA (30) und Russland (23) den dritten Platz einnimmt. Nach Berechnungen der Experten haben sich die Exporte allein in den letzten fünf Jahren verdoppelt.
Demgegenüber verläuft der Gegentrend, nämlich die Bemühungen, den internationalen Waffenhandel einzudämmen, weitaus zögerlicher. »Wie kann es sein«, empört sich Oistein Thorsen von der Hilfsorganisation Oxfam, »dass wir strikte international Gesetze haben, die den Handel mit Bananen und iPods regeln, aber Händler tödlicher Waffen unkontrolliert lassen?« Immerhin hat die UNO-Vollversammlung für das nächste Jahr eine internationale Konferenz einberufen, die einen weltweiten rechtsverbindlichen Vertrag ausarbeiten soll. Am New Yorker Hauptsitz tagt ab heute der Vorbereitungsausschuss.
Auf dem ersten Treffen im vergangenen Sommer standen bereits schwierige Themen auf der Tagesordnung. So diskutierten die Delegierten, welche Waffen ein zukünftiger Vertrag erfassen soll, welche Standards für Exportentscheidungen gelten sollen und wie Informationen ausgetauscht, überprüft und verifiziert werden könnten.
Verständlicherweise wurden noch keine definitiven Beschlüsse gefasst. Aber in informellen Erörterungen unter Leitung der Vertreter aus Australien, Ägypten sowie Trinidad und Tobago entstanden zunächst Arbeitspapiere, die zumindest die Meinungen und Optionen verdeutlichen. Darüber hinaus präsentierte der durch viele multilaterale Treffen erfahrene Tagungspräsident Roberto García Moritán aus Argentinien ein Textgerüst mit möglichen Elementen eines zukünftigen Vertrages wie auch den Prinzipien, Zielen und Anliegen.
Als eines der umstrittensten Themen erwies sich die Frage, welche Waffen in den Vertrag einbezogen werden und ob sie spezifisch oder allgemein definiert werden sollten. Viele Staaten favorisieren die sieben Kategorien des bestehenden UN-Registers für konventionelle Waffen als Grundlage. Das wären gepanzerte Kampffahrzeuge, Kampfpanzer, großkalibrige Artilleriesysteme, Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber, Kriegsschiffe sowie Raketen einschließlich ihrer Start- und Abschusssysteme. Anderen geht das aber nicht weit genug. Sie verlangen auch die Einbeziehung sogenannter Kleinwaffen und leichter Rüstungen, deren Gesamtzahl weltweit auf über 875 Millionen geschätzt wird.
Durch derartige Waffen wie Mörser und Minen, Sturmgewehre und Maschinenpistolen, Revolver und Handgranaten sterben täglich unzählige Menschen, ob in bewaffneten Konflikten und Bürgerkriegen, im privaten Streit oder durch Verbrechen. Kleinwaffen sind laut Internationalem Roten Kreuz für 95 Prozent der Getöteten heutiger Kriege verantwortlich. Umstritten ist ebenfalls, ob auch der Handel mit Munition von dem Vertrag erfasst werden soll. Während beispielsweise die USA das ablehnen, fordern Länder wie Argentinien, Chile, Guatemala, Mexiko und Uruguay deren Einbeziehung.
Der Vorbereitungsausschuss tritt im Juli erneut zusammen, bevor im kommenden Jahr nach einer kurzen organisatorischen Tagung die vierwöchige Konferenz stattfinden wird. Sie soll ein rechtsverbindliches Abkommen zur Begrenzung des internationalen Waffenhandels verabschieden und wird Beschlüsse im Konsens fassen. Doch das ist eine zweischneidige Angelegenheit. Einmütig verabschiedete Verpflichtungen erhöhen einerseits die Chance, dass möglichst viele Staaten dem ausgehandelten Vertrag auch beitreten werden. Andererseits erhält aber jeder einzelne Staat praktisch ein Vetorecht und kann den gesamten Verhandlungsprozess blockieren, wenn ihm eine bestimmte Regelung missfällt.
Als potenzielle Bremser werden jene Staaten angesehen, die im Gegensatz zu den 151 Unterstützern der UN-Resolution zur Einberufung der Vertragskonferenz ihre Zustimmung verweigerten. Dazu gehören beispielsweise Ägypten, China, Indien, Israel, Pakistan, Russland, Saudi-Arabien, Syrien und Venezuela. Es bleibt also noch viel Arbeit, und sie erfordert den guten Willen und die Kooperationsbereitschaft aller Teilnehmer. »Löwen siegen immer dann, wenn sie gemeinsam jagen«, ermunterte der Vertreter Nigerias seine Kollegen zur Zusammenarbeit.
Forderungen von Amnesty International
Ein wasserdichtes Waffenhandelsabkommen muss:
- klare Regeln enthalten, um alle Rüstungstransfers an alle Akteure zu stoppen, die Kriegsverbrechen, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, genderspezifische Gewalttaten oder terroristische Angriffe begehen oder die alle Anstrengungen zur Beendigung bewaffneter Gewalt und Armut hintertreiben;
- umfassend alle Arten von Waffen, Munitionen und anderen Rüstungsgütern und Komponenten sowie Akteuren im weltweiten Rüstungshandel kontrollieren;
- Geheimhaltung und Korruption im globalen Waffenhandel beenden;
- durchgesetzt und überwacht werden und ermöglichen, dass Regierungen zur Rechenschaft gezogen werden.
Quelle: Amnesty International
Die größten Waffenexporteure 2010 / Land Mrd. US-Dollar
USA 28,56
Russland 10,14
Deutschland 5,30
Frankreich 4,02
Großbritannien 3,44
Quelle: RIA
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