WERNER SCHROETER: Spielhöschen
Marginalien zum KLEIST-JAHR 2011
Mit meinen Lessing-Inszenierungen und Kleists »Käthchen« am Schauspielhaus Bochum wollte ich gegen die deutsche Humorlosigkeit angehen. Heinrich Kleists Stück war als romantisches Mysterienspiel verkitscht worden, wir bürsteten es gegen den Strich, um durchscheinen zu lassen, was wir vermissten.
Ich sah das Stück viel wahnsinniger, als es normalerweise inszeniert wird. Diese Bedingungslosigkeit, mit der Käthchen dem Mann hinterhertappt! Diese innere Stärke, obwohl er sie sadistisch quält! Ich legte Kleists Stück so aus, dass es die heimliche Angst des Autors vor solch einer weiblichen Stärke zum Gegenstand hat.
Ich gestaltete mit Hans Peter Schubert ein wunderschön einfaches Bühnenbild aus herabhängenden Metallstangen, mit denen wir Ritterburggemäuer und Landschaft im Sturm phantastisch einfach zeigen konnten. Magdalenas Kunigunde von Thurneck war so, wie Kleist sie wirklich dargestellt hatte, eine Puppe, kahlköpfig, nackt, in einem Chiffon-Gewand, das die Wasserfrau andeutete. Sie war bei uns keine Undine, eher eine groteske Gestalt. Elisabeth Krejcir zeigte das Käthchen als ein Opfer des Ritters Wetter von Strahl – dass es sich quälen lässt, konnten wir ja nicht als Liebe ausgeben.
Den Seufzer von Käthchens Vater, »Der Wahnsinn, dieser Dietrich aller Herzen«, nahmen wir als Motto. Und den aufgeblasenen Rittern wünschte ich in meinem sarkastischen Beitrag fürs Programmheft »dank ihrer chauvinistischen Uneinsicht allen mitsamt ein schreckliches Zugrundegehen in ihren blechernen Spielhöschen«.
(Aus: Werner Schroeter: Tage im Dämmer, Nächte im Rausch. Autobiographie. Aufbau Verlag Berlin 2011.)
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