Der Vergessenheit entrissen

EIN INTERNATIONALIST: JOHANN KNIEF

  • Wladislaw Hedeler
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Alter von nur 38 Jahren verstarb Johann Knief, Führungsmitglied der Bremer Linksradikalen und der »Internationalen Kommunisten Deutschlands«. Er erlag am 6. April 1919 einer verschleppten Blinddarmentzündung. Was sein Biograf Gerhard Engel enthüllt, möchte man fast nicht glauben: Kniefs Urne stand jahrelang im Büro der Bremer KPD, bis die Witwe Käthe Knief sie 1926 abholte. Die Genossen hatten ihren Genossen vergessen. Und daran änderte sich jahrzehntelang nichts. Sowohl die Linken im Osten als auch im Westen Deutschlands erinnerten sich seiner nicht mehr.

Das Verdienst, Leben und Werk des Johann Knief nun dem Vergessen entrissen zu haben, gebührt dem Berliner Historiker Engel, Mitherausgeber einer dreibändigen Dokumentation über die Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenräte. 1967 hatte er mit der Arbeit »Die politisch-ideologische Entwicklung Johann Kniefs. Untersuchungen zur Geschichte der Bremer Linksradikalen« promoviert. Daran nun knüpfte er an.

Der Autor hat sich dankenswerterweise der mühevollen Arbeit unterzogen, das wenige, über etliche Archive verstreute und teils erst jüngst zugängliche Material über Knief erneut bzw. erstmals zu sichten und auszuwerten. »Ich gestehe«, schreibt er im Vorwort, »dass mich das widerspruchsvolle, kurze und stürmische Leben des Johann Knief heute noch so fasziniert, wie den Promoventen vor mehr als vierzig Jahren, vielleicht sogar mehr noch. Denn es wuchsen seither nicht nur das zur Verfügung stehende Material und die Menge und Qualität wissenschaftlicher Einsichten, sondern auch die Erfahrungen aus dem Erleben der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.«

Neben den faktengesättigten und spannend geschriebenen Kapiteln über Jugend, Studium und Militärdienst des Mannes, der sich das Pseudonym Peter Unruh zugelegt hatte, legt Engel eine aufschlussreiche Skizze über den Linksradikalismus in Deutschland vor. Der Erläuterung von Streitfragen, die unter den Linken aller Schattierungen damals debattiert wurden und noch heute Diskussionsstoff bieten, wird viel Platz eingeräumt. Knief gehörte zu den Herausgebern der Zeitungen, in denen der Streit seinerzeit geführt wurde. In diesem Zusammenhang hätte ich mir eine ausführlichere Darstellung der Kontakte zu den »Sympathisanten und politischen Freunden« aus der russischen Sozialdemokratie gewünscht. Genannt ist hier der umtriebige Karl Radek; über ihn erfährt der Leser viel Neues.

Eine lebhafte Debatte über Kernfragen der Revolution in den Vereinigten Staaten, in Skandinavien und in Russland hatten seinerzeit auch Nikolai Bucharins Artikel in der »Arbeiterpolitik« ausgelöst. Um Antworten darauf war auch in der Komintern bis zum III. Weltkongreß gerungen worden. Diese »Rezeptionsgeschichte« bietet Stoff für einen weiteren Band.

Mit dieser eindrucksvollen Biografie ist die von Klaus Kinner herausgegebene, mittlerweile auf 15 Bände angewachsene »Rote Reihe« zur Geschichte des Kommunismus und Linkssozialismus um eine exzellente Studie bereichert. worden.

Gerhard Engel: Johann Knief – ein unvollendetes Leben. Karl Dietz Verlag. 464 S., geb., 29,90 €.

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