Es lebe das Gedruckte!
E-Books und die Gelassenheit der Käufer
Seit Jahren treibt ein Faszinosum die Branche um: Das elektronische Buch, kurz und auf Neudeutsch »E-Book« genannt, das für die einen (wieder einmal) der Beginn vom Ende der Lesekultur, für die anderen vor allem ein Geschäftsfeld ist, das Chancen und Risiken verspricht, und Gewinne für den, der rechtzeitig aufs richtige Geschäftsmodell setzt.
Auch bei den »Endkunden«, den Leserinnen und Lesern, ist die Haltung (wie weiland beim Hörbuch) gespalten: Die einen freuen sich über die technische Innovation, für die anderen ist es vergänglicher und vor allem entbehrlicher technischer Krimskrams, der sich »nicht durchsetzen wird«.
Dessen fast ungeachtet präsentiert der Internet-Buchhändler »Amazon« schon die dritte Version seines »Kindle« genannten Lesegerätes und behauptete, bereits im Juli 2010 in den USA mehr elektronische als gebundene Bücher verkauft zu haben. Für die Leipziger Buchmesse nun ruft der Börsenverein des Deutschen Buchhandels den Beginn des elektronischen Zeitalters aus: »Buchbranche erwartet Durchbruch für das E-Book noch in diesem Jahr« verkündet eine Pressemitteilung, und für heute ist eine große Podiumsdiskussion zum Thema geplant. Kurz davor lädt der Börsenverein zur Präsentation der gängigsten Lesegeräte. Und genau auf deren vielfältige Verfügbarkeit stützt Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes, seine These vom »Durchbruch« auf elektronischem Gebiet. Denn eigentlich werden in Deutschland weiter fast ausschließlich gedruckte Bücher gelesen. Gerade einmal ein halbes Prozent aller in Deutschland verkauften Bücher sind »E-Books«.
Eine halbe Million Menschen haben im vergangenen Jahr in Deutschland ein elektronisches Buch gekauft, an die 80 Prozent der Käufer haben gar kein Interesse daran. Ein Boom allerdings ist aus der Statistik jedenfalls nicht zu erkennen. Zwei Drittel der Buchhandlungen in Deutschland führen keine elektronischen Bücher.
Aber, so wird prognostiziert, »ein entstehendes Angebot schafft Nachfrage«. Und da vor allem große Verlage verstärkt in Elektronik investieren, ist davon auszugehen, dass deren Marktmacht ausreicht, dieses vergleichsweise neue Medium auch durchzudrücken. Absehbar ist auch, dass dies vor allem im wissenschaftlichen und Fachbuchbereich geschehen wird. Allerdings hapert es bereits bei den Schulbüchern an den technischen Hilfsmitteln, und so werden Deutschlands Schülerinnen und Schüler wohl auch noch auf Jahre hinaus aus zerschlissenen und veralteten Papierschwarten lernen.
In der Belletristik, also beim klassischen Lesestoff, erwartet niemand einen Siegeszug des flimmernden gegenüber dem gedruckten Wort. 80 Prozent der Befragten Leserinnen und Leser versichern laut Statistik: »Ich möchte nicht vom Bildschirm lesen« und sogar mehr als 85 Prozent finden es geradezu schön, »Bücher im Regal« zu haben. Allenfalls die Vernetzung mit anderen Medien, etwa dem Film, könne Belletristik in elektronischer Form wirklich attraktiv machen, findet Hans Huck, Sprecher des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren im Börsenverein. »Die Ansprüche an Zusatzfunktionen sind sehr hoch.«
Und so wird Leipzig auch dieses Jahr, trotz des proklamierten »Durchbruchs« elektronischer Bücher, vor allem ein Fest des Blätterns in Papierausgaben sein. Das Buch (auch wenn es mancher bisweilen schon abschätzig »Print-Book« nennt) wird leben. »Durchbruch« hin oder her.
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