Vermeers »Frau mit Waage« kam aus Übersee
Die Alte Pinakothek in München feiert mit hochkarätigen Ausstellungen ihren 175. Geburstatg
Ein erlesener Gast stattet München einen Besuch ab: Johannes Vermeers berühmtes Gemälde der »Frau mit Waage« ist aus Washington angereist, um im Kreise ehemaliger Nachbarn aus der königlichen Galerie den 175. Geburtstag der Alten Pinakothek zu begehen. Allein auf einer roten Wand, kann das mittelformatige Gemälde wie ein Solitär seine suggestive Wirkung entfalten.
175 Jahre Alte Pinakothek, das bedeutet: 500 Jahre Kunstpflege des Hauses Wittelsbach. Was bayerische Herzöge, Kurfürsten und Könige im Laufe ihres Lebens erwarben, was ihre Verwandten im Rheinland ankauften, kurz, der gesamte private wie staatliche Bilderschatz der Wittelsbacher verschmolz zum riesigen Bestand des Museums. Doch erst um 1800 wurden die verschiedenen Gemäldesammlungen der weitverzweigten Wittelsbacher-Dynastie in München zusammengeführt.
Nach langen Verhandlungen hatte sich der kunstsinnige König Ludwig I. gemeinsam mit dem genialen Hofarchitekten Leo von Klenze geeinigt, in Schwabing ein Museum im klassizistischen Stil zu errichten. Es sollte sich zum Typus der klassischen Gemäldegalerie entwickeln, die europaweit nachgeahmt wurde. Dass man trotz verheerender Bombenzerstörungen die Alte Pinakothek nach dem Zweiten Weltkrieg nicht abriss, ist dem Architekten Hans Döllgast zu verdanken, der die Wunden des Kriegs nicht verschleierte, sondern in die sensible Rekonstruktion integrierte.
Den Auftakt des Jubiläumsjahrs machen zwei große Ausstellungen: Parallel werden »Schätze aus dem Depot« und »Vermeer in München« gezeigt. Im April folgt »Cranach in Bayern«, im Sommer wird das »Drunter und Drüber« der Werke von Altdorfer, Cranach und Dürer mit Hilfe digitaler Infrarotfotografie durchleuchtet. Nach historischen Aufnahmen des Museums vor und nach der Kriegszerstörung endet der hochkarätige Ausstellungsreigen mit »Perugino – Raffaels Meister«.
So lässt sich die Geschichte und der Bestand eines der weltweit bedeutendsten Museen nacherleben, das von großen Sammlerpersönlichkeiten geprägt wurde. Die »Apostel«, Meisterwerke des Nürnbergers Albrecht Dürer, verdankt das Haus der Begeisterung von Herzog Maximilian I. Dessen Enkel Kurfürst Max II. Emanuel favorisierte die flämische Schule und erwarb beeindruckende Gemälde von Peter Paul Rubens für seine Sammlung. Vetter Kurfürst Johann Wilhelm kaufte Meisterwerke aller Schulen und richtete in Düsseldorf ein »Kunsthaus« ein.
Noch immer steht jedoch »König Max I. Joseph von Bayern als Sammler Alter Meister«, so der Untertitel zur Vermeer-Schau, im Schatten seines berühmten Sohnes Ludwig I. Denn dieser überstrahlte alles, bescherte er doch der Stadt die Ludwigstraße samt prachtvollen Repräsentationsbauten. Er selbst sammelte altdeutsche und italienische Malerei und ersteigerte nach dem Tod seines Vaters große Teile von dessen Kollektion, um sie in die Alte Pinakothek zu integrieren.
Deshalb wird nun erstmals Max Joseph I. als Kunstförderer gewürdigt, der unter anderem Vermeers »Frau mit Waage« aus dem Jahr 1664 in seinem Besitz hatte, die sich Ludwig I. auf einer der Auktionen nach dem Tod seines Vaters entgehen ließ. Ansonsten besaß der Regent eine exquisite Sammlung holländischer Malerei des 17. Jahrhunderts, also des so genannten »Goldenen Zeitalters«.
König Max Joseph I. hatte sich vor allem der Landschaftsmalerei eines Jacob van Ruisdal verschrieben. Doch er interessierte sich auch für Architektur – so finden sich neben dem »Turmbau zu Babel« auch Bilder gotischer Kirchenräume.
Jetzt kann man in der Alten Pinakothek die Werke namhafter Maler wie Willem van de Velde, Philips Wouwerman, Frans Post oder Nicolaes Berchem bewundern, die einst in Petersburger Hängung die privaten Räumlichkeiten des Königs in der Münchner Residenz und auf Schloss Tegernsee schmückten.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.