Vollnarkose beim Zahnarzt?

Allgemeinanästhesie bei Kindern mit Vorteilen und Risiken

  • Angela Stoll
  • Lesedauer: 3 Min.
Kindern mit kaputtem Gebiss wird oft eine Allgemeinanästhesie empfohlen – Risiken kann allerdings niemand ganz ausschließen.

»Gesunde Zähne im Schlaf«: Mit Versprechen dieser Art machen Zahnkliniken im Internet auf sich aufmerksam. Wäre es nicht gerade für Kinder wunderbar, friedlich zu schlummern, wenn der Bohrer kommt? Doch hinter dem Stichwort »Schlaf« verbirgt sich eine Narkose, meist eine Vollnarkose. Und die ist nie völlig frei von Risiken. »Für eine Narkose muss es daher immer vernünftige medizinische Gründe geben«, betont Elmar Mertens vom Berufsverband Deutscher Anästhesisten.

Bei kleineren Kindern mit argen Zahnproblemen lässt sich die Allgemeinanästhesie kaum vermeiden, argumentieren Zahnärzte. Obwohl Kinderzähne dank besserer Vorsorge in den letzten Jahren erheblich gesünder geworden sind, gibt es immer noch »eine kleine Gruppe von Kindern, die viele Löcher hat«, wie Sabine Bertzbach, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde, berichtet. So hätten etwa 15 Prozent aller Kleinkinder in Deutschland schwere Zahnprobleme, die oft nur unter Narkose behandelt werden könnten. »Zum Beispiel gibt es Kinder mit vier, fünf Jahren, die so tiefe Löcher und entzündete Zähne haben, dass gleich mehrere Nervenamputationen erforderlich sind«, sagt die Zahnärztin. »Sie würde eine Behandlung ohne Narkose überfordern.« Auch nach Unfällen ist manchmal eine Vollnarkose erforderlich – zum Beispiel wenn mehrere Schneidezähne abgebrochen sind, wie Bertzbach erklärt. Mitunter kann auch panische Angst vor der Zahnbehandlung ein vernünftiger Grund für eine Allgemeinanästhesie sein – etwa wenn ein Kind unter acht Jahren mehrere Löcher hat und auf andere Verfahren nicht anspricht.

Pluspunkt für kleine Patienten: »Das Kind bekommt von der unangenehmen bis schmerzhaften Behandlung nichts mit«, betont Jacqueline Esch vom Bundesverband der Kinderzahnärzte. »Einer lebenslangen Zahnarztphobie kann somit vorgebeugt werden.« Der Zahnarzt wiederum kann konzentriert arbeiten und hat einen guten Blick aufs Gebiss. So weiß Sabine Bertzbach aus eigener Erfahrung: »Ein großer Vorteil der Vollnarkose ist, dass man die gesamte Behandlung in einer Sitzung durchziehen kann«, sagt sie. »Für äußerst wichtig halte ich, dass man dabei wirklich alles erledigt, was ansteht, also zum Beispiel alle Füllungen und Versiegelungen. Danach sollte die Prophylaxe auf dem Plan stehen.«

Auch wenn die Risiken bei Vollnarkosen heute im Allgemeinen äußerst gering sind, sollte man das Verfahren nicht beliebig einsetzen. So kann es, wenn auch sehr selten, passieren, dass Patienten auf Medikamente allergisch reagieren oder Herzrhythmusstörungen erleiden. Speziell bei Kindern kann die richtige Dosierung der Narkosemittel Probleme aufwerfen, wie Prof. Jochen Strauß vom Wissenschaftlichen Arbeitskreis Kinderanästhesie erklärt: »Kinder sind aus Sicht des Anästhesisten seltene Patienten.« Denn nur etwa ein Prozent aller Patienten, die operiert werden, seien Kinder, sagt Strauß, der zugleich Chefarzt der Klinik für Anästhesie, perioperative Medizin und Schmerztherapie am Helios Klinikum in Berlin-Buch ist. Aufgrund mangelnder Erfahrung mit Kindern seien viele Anästhesisten bei der Behandlung kleiner Patienten unsicher.

Eine Zahnbehandlung unter Vollnarkose findet meistens ambulant statt – entweder in einer speziell eingerichteten Zahnarztpraxis oder einer Klinik. Der Zahnarzt arbeitet dabei immer mit einem Anästhesisten zusammen. Doch woran können Eltern, deren Kinder eine Narkose bekommen sollen, erkennen, ob sie in guten Händen sind? Ein gutes Zeichen ist, wenn die Ärzte Erfahrung mit Kindern haben. »Eltern sollten sich erkundigen, wie viele Kinder pro Jahr versorgt werden«, sagt Prof. Strauß. »Außerdem ist es ratsam, darauf zu achten, welchen Eindruck die Praxis macht. Ist sie sauber? Kindgerecht? Modern?«

Vorteilhaft sei auch, wenn Zahnarzt und Anästhesist als Team aufträten. Sabine Bertzbach rät Eltern, sich den Ablauf der Narkose genau erläutern zu lassen. »Sie sollten ruhig fragen: Wie wird mein Kind die ganze Zeit überwacht? Geht dem Anästhesisten jemand zur Hand? Gibt es einen Aufwachraum? Ist jemand bei meinem Kind, wenn es aufwacht?« An den Antworten können Eltern ersehen, ob Qualität gewährleistet ist. Daneben dienen sie aber auch dazu, Ängste abzubauen und sich sowie das Kind auf die Behandlung vorzubereiten.

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