Asse mit erhöhter Radioaktivität

Betreiber sieht keine Gefahren

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Bergwerk Asse sickert radioaktive Brühe aus einer Kammer mit Atommüll. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) maß in einem Bohrloch vor der Kammer 12 in 750 Metern Tiefe eine Cäsium-137-Aktivität von 240 000 Becquerel pro Liter. In einer deutlich geringeren Konzentration wurde in der Lösung auch das Radionuklid Kobalt 60 festgestellt.

»Das ist der bislang höchste Wert von Cäsium-137 in einer Lösungsprobe, der in der Asse nach dem Ende der Einlagerung im Jahr 1978 gemessen wurde«, sagt BfS-Sprecher Werner Nording. Das radioaktive Cäsium-Isotop entsteht bei der Atomspaltung, die Halbwertzeit beträgt 30 Jahre. Da es ähnliche chemische Eigenschaften wie Kalium hat, kann sich Cäsium-137 vor allem in der Leber, der Milz und in den Nieren anreichern. Bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl und beim Atomunfall in Fukushima wurden große Mengen Cäsium-137 freigesetzt. Der frühere Betreiber Helmholtz Zentrum hatte 2008 in demselben Bohrloch etwa 90 000 Becquerel Cäsium-137 pro Liter gemessen. Damit ist die Aktivitätskonzentration an dieser Messstelle binnen drei Jahren um das Zweieinhalbfache gestiegen. Die sogenannte Freigrenze für Cäsium-137 liegt bei 10 000 Becquerel pro Kilogramm.

Das BfS war gestern um Entwarnung bemüht. Von der belasteten Lauge gehe keinerlei Gefahr für Beschäftigte und Anwohner aus, sagte Nording gestern auf Anfrage. In dem Bohrloch befinde sich weniger als ein Liter der kontaminierten Flüssigkeit. Allerdings schwappt in unmittelbarer Nähe ein weiterer, viel größerer Tümpel mit kontaminierter Brühe. Die verstrahlte Flüssigkeit werde laut Nording unter Tage aufgefangen. Unbefugte kämen damit nicht in Berührung. Die kontaminierten Laugen vor Kammer 12 stammen dem BfS zufolge nicht aus den seit Jahren in das Bergwerk sickernden Zutrittswässern, sondern aus alten Kali-Rückständen. Kammer 12 wurde 1922 in den Salzstock Asse geschlagen und stand dann ein halbes Jahrhundert lang leer.

Die Kontaminationen rühren nach übereinstimmender Bewertung von den in der Kammer lagernden Abfällen her. Die Böden der Fässer mit schwach radioaktivem Müll lecken offenbar oder sind ganz durchgerostet. »Vermutlich stehen die Abfälle am Boden der Kammer bereits im Kontakt mit Salzlösungen«, heißt es beim BfS. Auch der Göttinger Chemieprofessor Rolf Bertram sieht in der erhöhten Radioaktivität einen »sicheren Hinweis, dass sich eine Auslaugung durch Kontakt zwischen Salzlösungen und defekten Gebinden verstärkt hat«.

Insgesamt lagern in Kammer 12 etwa 7500 Fässer. Der Raum wurde nach dem Ende der Einlagerung 1978 wie alle übrigen Kammern verschlossen. Kammer 12 und Kammer 5 sollen noch in diesem Jahr im Zuge der Probephase für die Rückholung der Abfälle angebohrt werden. Das BfS will sich damit einen Überblick über den Zustand der Fässer verschaffen.

Nach dem Bekanntwerden der neuen Messwerte drängen Bürgerinitiativen und Oppositionsparteien in Niedersachsen auf einen zügigen Beginn der Bergung. Die lange angekündigten Vorarbeiten müssten umgehend beginnen, sagte Udo Dettmann vom Asse-2-Koordinationskreis. Grünenfraktionschef Stefan Wenzel hält die deutlich erhöhte Radioaktivität in Asse für »äußerst beunruhigend«. Es dürfe keine weiteren Verzögerungen bei den Sanierungsarbeiten in dem Atommülllager geben. Der LINKE-Umweltexperte Kurt Herzog warnte davor, durch Verzögerungen letztlich doch wieder bei der verworfenen Variante der Flutung der Asse zu landen. Das Umweltministerium in Hannover teilte gestern mit, dass die Genehmigung für Probebohrungen nächste Woche erteilt wird – »voraussichtlich«.

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