Theaterneubau im Hau-Ruck-Verfahren

Rostocks Oberbürgermeister brüskiert das Stadtparlament

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Dass Rostock nach der baurechtlichen Sperrung des Großen Hauses des Volkstheaters eine neue Spielstätte braucht, ist unumstritten. Doch der Weg dorthin droht im Dauerclinch zwischen Stadtverwaltung und Bürgerschaft zum Politikum zu werden.

Bühnen gibt es scheinbar genug in Rostock. Derzeit bespielt das Volkstheater gleich ein halbes Dutzend: Das »Theater im Stadthafen«, die »Bühne 602« der »Compagnie de Comédie«, die Kleine Komödie in Warnemünde, die St. Nikolai Kirche und den »Barocksaal« am Universitätsplatz. Eine Bühne aber fehlt: das Große Haus. Dort waren gravierende Sicherheitsmängel festgestellt worden. Fraglos eine Peinlichkeit für die Warnowstadt, die gern ihren Status als einzige Großstadt in Mecklenburg-Vorpommern zelebriert.

Referenzobjekt in Gütersloh

Jetzt drückt der parteilose Oberbürgermeister Roland Methling aufs Tempo. Schon in der Maisitzung der Bürgerschaft soll über einen Neubaustandort entschieden werden – und zwar am innenstadtnahen Christinenhafen an der Straße »Am Strande«. Einen entsprechenden Antrag hatte Methling vor dem Osterurlaub noch hinterlassen. In den nächsten Tagen wollen sich nun die Bürgerschaftsfraktionen damit befassen. Doch ob die Stadtvertreter, die überparteilich mit dem OB im Clinch liegen, dem Wunsch des Rathauses entsprechen, ist fraglich. Schon jetzt gibt es verschiedene Änderungsanträge, die – wie zuletzt bei den Haushaltsberatungen – überfraktionelle Mehrheiten finden könnten. Gute Chancen habe dabei eine Vertagung, schätzt etwa die Rostocker Linksfraktionschefin Eva-Maria Kröger: »Erstens liegen keine belastbaren Zahlen vor – und zweitens ist das Vorgehen des OB befremdlich.« Erst vor wenigen Wochen habe der eine Bürgerbefragung vorgeschlagen, nun dränge er auf eine Hau-Ruck-Entscheidung.

An Kosten erwartet man 25 bis 35 Millionen Euro – viel Geld, auch wenn wohl nur 30 bis 40 Prozent die Stadtkasse treffen würden. Gut 25 Millionen hat das 2010 eröffnete neue Theater in Gütersloh gekostet, das Methling im März mit einer Bürgerschaftsdelegation besuchte und das seither als Referenz gilt. Doch anders als in der Bertelsmann-Stadt gibt es in Rostock nur wenig potente Unternehmen, die größere Spenden leisten könnten. Mutmaßlich ist auch der Rostocker Theater-Förderverein weniger finanzstark als der in Gütersloh, wo auf diese Art noch eine Million Euro zusammenkam.

Doch ist auch der Standort selbst umstritten. »Für den Christinenhafen sehe ich keine Mehrheit«, sagt Kröger, die der mit Abstand größten Fraktion vorsitzt. In der Bürgerschaft gebe es viele Anhänger der Alternativen »Rosengarten«, einer Grünfläche an den Wallanlagen, oder der Alternative »Bussebart«, einer Brache am Beginn der Langen Straße. Aus Krögers Sicht spricht nicht zuletzt die Verkehrsanbindung gegen den Hafen: »Unter zehn Minuten Fußmarsch wäre das Theater mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen.« Und selbst ein Gutachten, dass die Stadt bei der Technischen Hochschule in Zürich bestellt hat, hält den Hafen nur dann für den besten der drei Standorte, wenn die Stadt an ihren strikten Vorgaben für die Größe des Gebäudes festhalte.

Der Wahlkampf rückt näher

Nicht nur Kröger sieht die Gefahr, dass die Standortentscheidung für einen Neubau in den Streit zwischen Verwaltung und Stadtparlament gezogen wird. Es sehe so aus, als wolle sich der Bürgermeister, der 2012 wiedergewählt werden will, als »Macher« von den »Bremsern« in der Stadtvertretung absetzen. Ein solches Kalkül sei ein schlechter Hintergrund für eine Entscheidung, die »doch eigentlich Spaß machen könnte«, sagt Kröger. Kurzfristig müsse auch die provisorische Instandsetzung des alten Hauses bedacht werden – vor 2018 wird es auf keinen Fall etwas mit der neuen Spielstätte. Und selbst das Provisorium im Großen Haus werde »sicherlich zwei bis drei Millionen« kosten.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.