Italiens Rechte will Geschichte umschreiben
»Verklärung« der Befreiung vom Faschismus soll beendet werden / Widerstand demokratischer Kräfte
Italiens Faschisten melden sich zurück auf der politischen Bühne. Zum Jahrestag der Befreiung vom Faschismus – am 25. April 1945 wurden Mailand und andere große Städte im Norden eingenommen, Mussolini und die deutschen Besatzer flohen – haben sie ein Ende des »Mythos der Befreiung« gefordert. Man solle doch endlich aufhören, die »Resistenza« (Widerstandsbewegung) und insbesondere die Partisanen in ein verklärendes Licht zu stellen, forderte der Provinzchef von Salerno, Edmono Cinelli, aus der Berlusconi-Partei PdL. Es sei an der Zeit, auch die »Schattenseiten der Bewegung«, wie Massaker, die die Partisanen verübt hätten, bekannt zu machen, heißt es in einem von ihm veröffentlichten Manifest weiter.
Mit seinem Ansinnen steht Cinelli nicht allein. Der PdL-Koordinator von Bologna, Fabio Garagnani, fordert ebenfalls, mit der »positiven Darstellung des Widerstands« aufzuhören und statt des 25. April lieber den 18. April 1948 als »wahren Festtag Italiens« zu begehen. An jenem Tag wurde die erste Regierung der Democrazia Cristiana inthronisiert.
Nicht fehlen darf in diesem Konzert der Chef der extremen Rechten, Francesco Storace. Der Vorsitzende von »La Destra« (Die Rechte) forderte, »jene 20 Jahre unserer Geschichte nicht zu vergessen«, die unter der Führung der Faschisten auch viel Gutes für das Land gebracht hätten und schließlich »am Rande des Zweiten Weltkriegs in einem blutigen Bürgerkrieg« beendet worden seien.
Die Faschisten gehen wieder auf die Straße. Sie demonstrieren unter den Fahnen mit den Rutenbündeln, sie brennen Kränze an Partisanendenkmalen nieder, sie plakatieren ihre Überzeugung. »25. April – einen schönen Ostermontag« wünschten sie auf einem Plakat, auf dem ein Lastwagen mit bewaffneten Schwarzhemden, den italienischen Faschisten, abgebildet ist.
Aber die alten und neuen Rechtsextremen rufen mit ihren Forderungen den Protest der demokratischen Öffentlichkeit hervor. Staatspräsident Giorgio Napolitano erklärte am Montag anlässlich seiner Kranzniederlegung am Grabmal des Unbekannten Soldaten in Rom, es brauche eine »nationale Verantwortlichkeit«, damit die dunklen Seiten der Vergangenheit nicht wieder die Oberhand gewinnen könnten. Eine Verantwortlichkeit, um die bürgerlichen Rechte und Pflichten, auch die sozialen und politischen, wie sie in der Verfassung festgeschrieben sind, von keiner Seite aus angreifen zu lassen und sie zu verteidigen. Die demokratische Verantwortung gebiete, ein blindwütiges Handeln gegen diese Rechte nicht zuzulassen, beschwor der Präsident.
Wie zur Unterstützung dieses Aufrufs zog am selben Tag eine Demonstration früherer Partisanen durch das Zentrum von Mailand. Auch Festakte in Bologna, Florenz, Turin und Genua machten deutlich, dass man Rufen nach Abschaffung des Gedenkens an die Befreiung eine Abfuhr erteilen will. Bei ihren Auftritten während der Veranstaltungen ernteten Verteidigungsminister Ignazio La Russa und Roms Bürgermeister Gianni Alemanno Pfiffe und Buh-Rufe. Die beiden früheren Postfaschisten der Alleanza Nazionale (AN) gehören heute zur PdL von Premier Silvio Berlusconi.
Der ehemalige AN-Chef und heutige Parlamentspräsident Gianfranco Fini weilte zum Gedenktag auf einem italienischen Stützpunkt in Afghanistan. Dort erklärte er, die Mission der italienischen Soldaten in Herat sei eine »wahre Demonstration des Kampfes für Freiheit und Demokratie«. Fini, noch vor Jahren ein begeisterter Bewunderer Mussolinis, hat sich in bemerkenswerter Weise von seinen früheren Ideologien abgewandt. Seine einstigen Weggefährten aus dem Mitte-Rechts-Lager werfen ihm dafür Verrat vor. Auch 66 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und des Faschismus beschäftigt die Geschichte nach wie vor die italienischen Gemüter.
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