Liebesgeschichte im Laserlicht
Wagners »Walküre« an der Deutschen Staatsoper Berlin. Phänomenal: René Pape als Wotan
Die »Ringe« schmieden ist en vogue; 2013 dräut, Richard Wagners 200. Geburtstag. Den hellsichtigen Blick auf den universellen Gesellschaftsentwurf, mit Namen wie Joachim Herz und Patrice Chereau verbunden, oder so etwas wie die großen Erzählungen von Berghaus, Friedrich, Kupfer, Flimm oder Michael Schulz in Weimar muss man derzeit dennoch suchen. In Berlin, an der Staatsoper, siegt die Dekoration. Regie: Guy Cassiers.
Projektionen wabernder Muster in erlesenen Farben, mal zivilisatorisch, mal vegetativ, mal animalisch anmutend, beleben die sparsam abstrakte, im sedierenden Halbdunkel verdämmernde Bühne. Dass all dies flüchtige Bildwerk eine detailversessen genaue Korrespondenz zur Handlung pflegt, erklärt das Programmheft. Vertikale Linien roten Laserlichts versinnbildlichen die Gefallenen im großen Krieg zwischen dem Licht- und Nachtalben; eine rotierende Kugel ist Mond oder Sonne oder die Welt, je nach Bedarf; Ziffern und Buchstaben, die auf vertikalen Holzstäben hinablaufen, sind ein verwirrender Wald. Und so weiter.
Wie dem auch sei, die Augen der Zuschauer werden nicht beleidigt und die Sänger allenfalls durch die grandios ausschauenden, jedoch etwas unpraktischen Kostüme gestört. Sogar die acht Walküren tragen divenhaft ausladende Reifröcke. Leise Heiterkeit kommt auf, wenn sie, vor Wotan zurückweichend, immer wieder die Stoffmassen raffen. Etwas beängstigend wiederum das Schlussbild. Brünnhilde ist auf ein sich hebendes Postament gebettet, um das ein Feuer lodern soll. Dies besteht aus zwei Dutzend über der schlafenden Walküre aus dem Himmel herabschwebender Rotlichtlampen. Nach oben rauchen und nach unten tropfen sie, und statt den letzten betörenden Takten des Riesenwerks ergriffen zu lauschen, hofft man nur, dass keine der Lampen zerplatzt und die nackten Arme der Sängerin verletzt.
Soweit zur Macht des Szenischen in dieser Produktion. Die musikalische Seite war, ehrenrettend für das Haus, von anderem Format. Daniel Barenboim begab sich im Sturm-und-Gewitter-Vorspiel des 1. Wagner-Aktes ganz bewusst in geräuschhafte, durchaus von der Moderne geschulte Klangdimensionen. Hetze, Qual, äußerste Bedrängnis – das Orchester allein imaginierte den Beginn der Liebesgeschichte zwischen den Wälsungen-Geschwistern.
Siegmund, Simon O’Neill, nahm den intensiven Beginn vokal auf. Mit Kraft und sehr hellem Timbre erzählte er seine Geschichte, rief markerschütternd seinen Vater Wälse ums Schwert an, ließ etwas kurz phrasiert Winterstürme dem Wonnemond weichen, um schließlich im wahren Jubel der Liebe zu versinken. Barenboim bot Tempo und Temperament auf, erzeugte, kontrastierend zur Einleitung, einen leuchtenden Orchesterton, der bei aller Eigenständigkeit der Orchestererzählung auch die Sänger sehr schön trug. Anja Kampe konnte zwischen durchschnittlichen Passagen doch auch herzergreifend betörende Sieglinden-Töne singen, vor allem im Dramatischen fand sie das richtige Maß.
Iréne Theorin war eine eher durchschnittliche Brünnhilde – gegenüber den Erwartungen, die man an dieses Haus stellen muss. Allein in den wilden echten »Walküren-Passagen ihrer Partie konnte sie hinreichend überzeugen.
Man nahm es hin, denn die eigentliche Aufmerksamkeit galt dem Rollendebüt René Papes als Wotan. Kraft, Wohllaut, sein kostbares Timbre hatte man erwartet, aber wie er die Figur singend psychologisch durchschaut und gestaltet: bewunderungswürdig.
Wotan auf der Höhe seiner Macht innerlich bereits abdankend, erfüllt von Trauer und Fatalismus, sich selbst erkennend und doch gegen seinen zukünftigen und ersehnten Untergang erst genüsslich andiskutierend, dann gequält um so lauter antrotzend – Réne Pape ersang sich ungemein einleuchtend eine enorme Vielfalt genauester Gefühlsschattierungen.
Das ganze Musiktheater fand in dieser Produktion allein im Orchestergraben und in der Stimme des phänomenalen Réne Pape statt.
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