»Kommunistin in den besten Jahren«

Die Tageszeitung »il manifesto« hat Geburtstag

  • Antje Stiebitz
  • Lesedauer: 3 Min.
Die italienische Tageszeitung »il manifesto« feiert ihren 40. Geburtstag. Am 28. April erschien sie, mit der Kopfzeile »Kommunistische Tageszeitung«, das erste Mal. »Eine Kommunistin in den besten Jahren!« freut sich der Deutschlandkorrespondent Guido Ambrosino, als er den Geburtstagsstrauß entgegennimmt. Denn im Berliner »tazcafé« wurde gefeiert und die Frage diskutiert: Wer braucht heute noch eine kommunistische Tageszeitung?

Das Berlusconi-Regime der letzten zwei Jahrzehnte habe das Land regelrecht anthropologisch verändert, erklärte die Chefredakteurin von »il-manifesto«, Norma Rangeri, in einem »taz«-Interview. Inzwischen gebe es Jugendliche, die nur noch die Kultur, das Fernsehen und die Politik unter Berlusconi kennen würden. Der seit 1985 in Deutschland lebende Ambrosino bestätigt das. Komme er nach Italien zurück, erkenne er sein Land nicht wieder. »Die alte römische Lässigkeit ist weg.« Die Leute seien aggressiv und es gebe ein weitläufiges Desinteresse am öffentlichen Raum. Doch zum Glück wachse auch eine Bewegung gegen den Berlusconismus: Menschen, die sich gegen neue Kernkraftwerke, die Wasserprivatisierung und Gesetze wenden, die dazu dienen, Berlusconi zu schützen.

Das Publikum, Ambrosino und und Thomas Schmid von der »Berliner Zeitung« sprechen viel über alte Zeiten, über Kuba, Südamerika. Das liegt vielleicht am hohen Durchschnittsalter der Anwesenden, das Ambrosino eingangs scherzhaft beklagte. Als er beginnt, aus dem Kommunistischen Manifest von 1848 zu zitieren, regt sich Unmut aus dem Publikum. Ohne geschichtliche Einordnung könne man das Heute nicht verstehen, versucht er zu erklären. Einer der vereinzelten jüngeren Zuhörer wirft ein, »il manifesto« spreche eine alte Sprache. Die Frage nach einer Vision wird gestellt.

Kommunismus habe nichts mit einer Mauer, Stalinismus oder der Kommunistischen Partei zu tun, erklärt Ambrosino. Und eine System-Alternative könne nur entstehen, indem man die Besitzverhältnisse in Frage stellt. Ohne soziale Gerechtigkeit könne es keine Veränderungen geben. Doch in Italien seien die Möglichkeiten der politischen Gestaltung eng. »Inzwischen haben wir schon das Problem, wieder zu einer parlamentarischen Demokratie zurückzukommen.«

Schwierigkeiten habe nicht mehr das Proletariat, die Jugend gehöre heutzutage häufig zum Prekariat. Doch diese jungen Leute, kritisiert Ambros Waibel, Moderator und »taz«-Meinungsredakteur, lesen nicht »il manifesto«.

Außerdem, moniert Waibel, berücksichtige »il manifesto« die journalistischen Genres nicht ausreichend und habe sich nie von der Kommunistischen Partei getrennt. Doch er lenkt ein, dass die »taz« auch eine Elitezeitung sei, bei der man ein Problem habe, wenn man zugebe, die LINKE zu wählen. Und die »taz« sei nicht wie »il manifesto« in der Resistenza verwurzelt und habe auch keine enge Verbindung zur Gewerkschaft wie diese.

Das Publikum lobt die Berichterstattung der italienischen Zeitung zu Libyen. Anders als die deutsche Berichterstattung zumeist sei diese vor allem vielschichtig gewesen. Doch das war auch der Grund für viele Abonnenten, mit der Kündigung zu drohen, ist aus dem »taz«-Interview zu erfahren. Norma Rangeri hielt es für wichtig, die pluralen Meinungen zuzulassen: »So wurden wir zur einzigen linken Zeitung, in der es überhaupt eine echte Debatte zum Thema gab.«

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