Vier Meiler stehen vor dem Aus

Stresstest bestätigt, dass deutsche AKW einem Absturz großer Flugzeuge nicht standhalten

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 2 Min.
Die 17 deutschen Atomkraftwerke sind halbwegs gegen Hochwasser, Erdbeben und andere Naturkatastrophen gewappnet. Dem gezielt herbeigeführten oder zufälligen Absturz eines großen Verkehrsflugzeugs kann aber keiner der Meiler standhalten. Das sind zentrale Aussagen des sogenannten Stresstests durch die Reaktorsicherheitskommission (RSK). Die Bundesregierung hatte die Überprüfung der Meiler nach der Atomkatastrophe von Fukushima veranlasst.

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat das Aus für mindestens vier Atomkraftwerke angedeutet, die noch nicht einmal gegen den Absturz kleiner Flugzeuge ausreichend gesichert sind. Die Meiler Biblis A und B sowie Brunsbüttel und Philippsburg I hätten »keine nachgewiesene Sicherheitsauslegung«, sagte Röttgen am Dienstag bei der Vorstellung des Prüfberichts der Reaktorsicherheitskommission in Berlin. Die Kommission selbst gab keine Empfehlung. Der »Stresstest« soll laut Röttgen die sicherheitstechnische Grundlage für anstehende energiepolitische Entscheidungen liefern. Nach seinen Worten hat die RSK bei der Überprüfung der Meiler »völlig neue Fragestellungen« entwickelt und »erstmalig überprüft, was noch nie zuvor geprüft worden ist«.

Der Kommissionsvorsitzende Rudolf Wieland mochte die Begeisterung seines Auftraggebers nicht so recht teilen. Im Wesentlichen habe die RSK Fragen an die Betreiber der AKW gesandt, die zudem nicht immer vollständig beantwortet worden seien, sagte er. Aufgrund der Angaben der Stromkonzerne seien für verschiedene Themen und jedes AKW »Robustheitskriterien« und »Schutzgrade« entwickelt worden.

Gegen extreme Wetterereignisse und große Naturkatastrophen sieht Wieland zumindest die weniger alten Meiler ausreichend geschützt. Ihre Sicherheitssysteme könnten verhindern, dass die Reaktoren außer Kontrolle geraten. Größter Schwachpunkt ist aus Sicht der RSK das Risiko von Flugzeugsabstürzen. Die sieben im Rahmen des Moratoriums abgeschalteten AKW seien demnach noch nicht einmal gegen den Crash kleinerer Maschinen ausgelegt. Gegen große Jets aber ist kein AKW gesichert. »Die Sicherheitsstufe III wird von keinem Kernkraftwerk erreicht«, bestätigte Röttgen. Der RSK zufolge können die Anlagen aber nachgerüstet werden.

Umweltschützer und Oppositionspolitiker kritisierten den »Stresstest«. In weiten Teilen verlasse sich die Kommission auf schriftliche Angaben der AKW-Betreiber, bemängelte auch die Anti-Atom-Organisation »ausgestrahlt«. Sprecher Jochen Stay erinnerte an die Zusammensetzung der RSK. Unter den 16 Mitgliedern seien Vertreter der Stromkonzerne, Mitarbeiter des Reaktorbauers Areva und Angestellte von Forschungsinstituten, die einen Großteil ihrer Aufträge dadurch bekämen, dass es laufende Atomkraftwerke gibt.

Die Grünen erklärten, in wenigen Wochen sei ein gewissenhafter Check der AKW gar nicht möglich. Die Abgeordnete Bärbel Höhn sagte: »Das ist ein Schnellschuss. Die Prüfteams haben das Innere der AKW nicht gesehen.« Da die Defizite der Reaktoren jedoch längst bekannt seien, könne die dauerhafte Stilllegung auch ohne Stresstest gut begründet vollzogen werden. »Solange AKW-Betreiber nicht von unabhängiger Stelle überprüft werden, sind alle Stresstests wertlos«, bemängelte auch Dorothée Menzner von der LINKEN.

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