Grimsvötns Asche ist nicht schuld

Vulkanausbruch: Luftverkehr lahmte wieder – EU ist weit entfernt von einheitlichen Regeln

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Es herrschte mal wieder Chaos auf europäischen Flughäfen. Wegen der Vulkanaschewolke aus Island wurden gestern auch auf deutschen Airports Hunderte Flüge gestrichen.  

Grimsvötn hat seine Aktivität eingestellt. So wie zahlreiche Flughäfen in Europa. Zwar nahmen schottische Flughäfen, an denen es am Dienstag Sperrungen des Luftraumes gegeben hatte, ihren normalen Betrieb wieder auf, doch das, was der Vulkan in den vergangenen Tagen von sich gegeben hat, behinderte nun gestern die Fliegerei über Norddeutschland. Mehrere hundert Flüge in Deutschland wurden gestrichen und Zehntausende Passagiere mussten deshalb ihre Reisepläne ändern. In Frankfurt am Main, dem größten deutschen Luftkreuz, blieben Flugzeuge Richtung Bremen und Hamburg am Boden, weil beide Flughäfen ihren Betrieb am Morgen einstellten. Auch Hannover und Berlin machten stundenweise dicht.

Insgesamt jedoch hielten sich die Störungen in Grenzen. Lufthansa beispielsweise rechnete gestern früh mit 150 Ausfällen. Insgesamt wickele die Airline täglich rund 2000 Flüge ab. In ganz Westeuropa mussten nach Angaben der Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol 500 Flüge abgesagt. Verkehrsexperten rieten zur Gelassenheit: So schlimm wie beim Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull im vergangenen Jahr wird es nicht werden, hörte man aus Brüssel.

Vom Flugverbot im April 2010, das rund eine Woche dauerte, waren 100 000 Flüge betroffen. Damit war rund die Hälfte des europäischen Flugverkehrs lahmgelegt. Etwa zehn Millionen Passagiere blieben damals am Boden, der Schaden für Airlines und Airports wurde auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt. Weltweit gab die Wirtschaft einen Schaden von 3,5 Milliarden Euro an.

Man hatte befürchtet, dass die Asche in der Luft Triebwerke zerstört, Staurohre zur Geschwindigkeitsmessung verstopft, damit Computer- und Steuerungssysteme in die Irre führt sowie Cockpit-Scheiben blind macht. Um zu überprüfen, ob die Befürchtungen berechtigt sind, startete das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Messflüge. Inzwischen liegen umfangreiche Daten vor, die besagen: Die ganze Aufregung war übertrieben. Zu keiner Zeit wurden bedrohliche Werte erreicht.

»Wir sind heute wesentlich besser in der Lage als vor gut einem Jahr, eine solche Situation zu beherrschen«, sagte Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gestern. Natürlich übertreibt er wieder, so wie er 2010 als oberster Luftverkehrsbremser übertrieben hat. Er behauptet, es gebe mittlerweile eine »solide rechtliche Basis« und ein »verlässliches Messnetzwerk« sowie die Anweisung, dass ab 2,0 Milligramm Asche pro Kubikmeter Luft nicht mehr geflogen werden darf. Bis dahin halten Triebwerk- und Flugzeughersteller einen störungsfreien Betrieb für möglich.

Doch Luftfahrt ist ein globales Geschäft, nationale Erklärungen helfen nur wenig. Bis die EU sich auf einheitliche Grenzwerte einigt, werden noch mindestens zwei oder drei Jahre vergehen, hört man aus dem Büro des Verkehrskommissars Siim Kallas.

Die Airlines gehen daher eigene Wege. So baut beispielsweise der britische Billigflieger EasyJet spezielle, auf Infrarotbasis arbeitende Aschedetektoren ein, um selbst entscheiden zu können, ab wann Fliegen unmöglich ist. Zu Wochenbeginn hatte auch das europäische Krisenzentrum EACCC empfohlen, die Airlines selbst entscheiden zu lassen, ob sie in Gebieten mit vermehrten Ascheteilchen fliegen wollen oder nicht.

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