EU drängt Athen zu Privatisierungen
Griechenland soll neues Hilfspaket selbst mitbezahlen / Bundesregierung ringt um Haltung
In der EU laufen die Vorbereitungen auf ein zweites Hilfspaket für das finanziell angeschlagene Griechenland. So erklärte der Euro-Gruppenchef, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, am Donnerstag, gemeinsam mit den anderen Euro-Ländern sei er dabei, »eine umfassende Lösung« auszuarbeiten. Vor gut einem Jahr war für Athen ein Kreditpaket von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) im Umfang von 110 Milliarden Euro geschnürt worden.
Die Entscheidung über neue Hilfen soll spätestens auf dem EU-Gipfel in zwei Wochen fallen. Nach Angaben von EU-Diplomaten geht es um 90 Milliarden Euro. Davon könnte ein Drittel von der Eurozone und dem IWF kommen. 30 Milliarden soll die griechische Regierung aus Erlösen der geplanten Privatisierungen selbst beisteuern. Das letzte Drittel soll von privaten Gläubigern aufgebracht werden – durch Umtausch auslaufender alter Kredite an den griechischen Staat in neue Anleihen. Für eine solche »weiche« Umschuldung macht sich insbesondere der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stark. Dagegen gibt es in Frankreich Vorbehalte.
Spekulationen darüber sorgen für Unsicherheit an den Anleihemärkten. Dort stiegen die Risikoaufschläge für griechische Staatspapiere wieder massiv an. Für zweijährige Anleihen müsste die Regierung in Athen privaten Investoren mittlerweile 23 Prozent Zinsen pro Jahr bieten, was selbst ein finanziell gesunder Staat nicht stemmen könnte. Deutschland muss 1,6 Prozent berappen.
Unklar ist indes, wie stark privaten Gläubiger an einer Umschuldung noch beteiligt werden könnten. Zeitungsberichten zufolge hatten deutsche Versicherungen ihr Griechenland-Engagement bis Ende März auf 2,8 Milliarden Euro mehr als halbiert. Bei deutschen Banken – vor allem solchen mit staatlicher Beteiligung – waren es noch 10,3 Milliarden Euro. Vor einem Jahr hatten deutsche Banken noch zugesagt, kurzfristige Kredite so weit als möglich zu halten. Mit Abstand größter Einzelgläubiger ist längst die Europäische Zentralbank, die Anleihen im Umfang von 75 Milliarden Euro hält und sich gegen eine Umschuldung wehrt.
Der Vorstoß Schäubles zielt vor allem darauf ab, die Wogen innerhalb der schwarz-gelben Koalition zu glätten. Mehrere Unions- und FDP-Abgeordnete hatten zuletzt gedroht, ihre Zustimmung zum künftigen EU-Rettungsschirm zu verweigern. Bei Fraktionstreffen am Mittwochabend hatten sich CDU, CSU und FDP darauf geeinigt, strittige Fragen – auch zum Atomausstieg – bei einem Koalitionsgipfel noch vor der Sommerpause zu klären. Am Donnerstagabend berieten die Fraktionen über Vorgaben für etwaige neue Griechenland-Hilfen. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte, ohne die Beteiligung privater Gläubiger »wird's gar nichts geben«.
In Griechenland billigte die Regierung das neue Sparpaket. Gegen die geplanten Privatisierungen richteten sich massive Proteste. Dabei kam der Eisenbahnverkehr zum Erliegen. Behinderungen gab es im Telefonnetz, bei Banken und in Krankenhäusern.
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