Schulen ohne staatliche Kontrolle
Britische Regierung plant weitere Privatisierung des Bildungssektors
Ein Steckenpferd der britischen Regierung sind die sogenannten freien Schulen – und diese Schulen sollen nach dem Willen der konservativ-liberale Regierung den kommunalen Einrichtungen zunehmend Konkurrenz machen. Freie Schulen sollen durch Eltern, Lehrer, Wohlfahrtsgruppen, religiöse Gruppen, Privatkonzerne oder einer Mischung aus oben genannten Beteiligten gegründet werden können. Die Mittel dazu hat man, denn bei den Privatschulen handelt es sich um vom britischen Zentralstaat finanzierte Schulen; kommunale Bildungsstätten werden dagegen von den Städten und Gemeinden finanziert und auch verwaltet. Der Plan ist nicht neu. Premierminister David Cameron sprach schon öfters von einem »Staatsmonopol« im Bildungsbereich, das es zu überwinden gelte. Freie Schulen sollen der Weg dazu sein.
Potenziellen Gründern einer freien Schule macht die Regierung weitreichende Zugeständnisse: Sie unterliegen keiner lokalen Kontrolle, sie müssen keine qualifizierten Lehrer einstellen und brauchen sich nicht an den nationalen Lehrplan zu halten. Zudem können sie sich selbst aussuchen, nach welchen Kriterien sie Schüler aufnehmen, sie können selbst entscheiden, wie lange ein Schultag und das Schuljahr dauern und wann es Ferien gibt. Schon diese Punkte sorgten in den vergangenen Monaten für Konfliktstoff. So musste Bildungsminister Michael Gove im April erklären, dass freie Schulen definitiv keinen Kreationismus unterrichten dürften. Hier hatten sich diverse religiöse Gruppen bereits Hoffnungen gemacht.
Derweil lehnte die Lehrergewerkschaft NUT die Idee der freien Schulen rundweg ab. Dieses Projekt sei ein offensichtlicher Angriff auf Löhne und Arbeitsbedingungen von Lehrern. Schließlich könnten freie Schulen Löhne selbst festlegen und müssten sich nicht an geltende Tarifverträge halten. Außerdem werde hier auf dem Rücken von von Schülern, Eltern und Lehrern gespart, so die Gewerkschaft in einer Broschüre.
Tatsächlich sind die Anforderungen an freie Schulen weitaus geringer als bei Schulen in öffentlicher Hand. Das beginnt schon beim Planungsprozess. Privatschulen können in stillgelegten Verkaufsräumen und Fabriken eröffnet werden. Im Gegensatz zu staatlichen Schulen müssen sie keine Schulhöfe oder Spielflächen anbieten. Verbirgt sich hier schon einiges Einsparpotenzial, hilft der Staat noch nach: So hat die Regierung ein 55 Milliarden Pfund schweres Programm für die Renovierung und den Neubau von staatlichen Schulen gestrichen. Teile dieses Geldes wurden in das Programm für Schulen in freier Trägerschaft umgeleitet. Dem Adam Smith Institute (ASI), einem rechten britischen Thinktank, geht die Initiative der Regierung nicht weit genug. Mit der Begründung der Wettbewerbsförderung wird die großflächige Öffnung des Schulmarktes für den profitorientierten Sektor gefordert.
Derweil hat das Projekt mit Startschwierigkeiten zu kämpfen. Zielvorgabe der Regierung ist, innerhalb von neun Jahren 3000 freie Schulen zuzulassen. Bislang gibt es aber nur 323 Bewerber. Von denen werden in diesem Jahr nur eine Handvoll zur Eröffnung gelangen. Auch Eltern sind skeptisch. Eine große Mehrheit lehnt Hauptbestandteile des Projektes ab: nur 26 Prozent aller in einer Studie befragten Eltern befürworten freie Schulen. 78 Prozent fordern Unterricht durch qualifizierte Lehrer und 86 Prozent halten Schulhöfe und Spielplätze für essenziell. Nichts davon wird durch freie Schulen garantiert.
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