RWE lässt Klimawandel schönreden

Umstrittener Physiker präsentiert skurrile Thesen auf Veranstaltung und Webseite des Konzerns

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
»Greenwash«, Grünwäsche, nennen Spötter den faktenwidrigen Versuch von Unternehmen, ihre Geschäftspolitik als umweltfreundlich darzustellen. Deutscher Meister in dieser Disziplin dürfte der RWE-Konzern sein – und er will die Spitzenposition offenbar ausbauen.

Der Energiekonzern RWE wirbt für Positionen, die die Realität des Klimawandels leugnen. Mindestens seit gestern stellt RWE, wie ND-Recherchen ergaben, auf seiner Webseite einen Text des umstrittenen Physikers Nicola Scafetta bereit. Der Italo-Amerikaner, der sich berufen fühlt, auch Texte zu astronomischen, biologischen, wirtschaftswissenschaftlichen, medizinischen, soziologischen und – wie in diesem Fall – klimatologischen Themen zu veröffentlichen, ist bekannt dafür, den menschlichen Einfluss auf das Klima zu bestreiten.

In seinem nun von RWE veröffentlichten Papier (Überschrift: »Klimazyklen und deren Folgen«) führt der an der Duke-Universität in North-Carolina als außerplanmäßiger Assistenzprofessor forschende Scafetta aus, dass »eine moderate globale Abkühlung« wahrscheinlicher sei als der allseits befürchtete Anstieg der weltweiten Temperaturen. Offenbar handelt es sich um die ausformulierten Thesen eines Vortrages, den Scafetta am 20. Juni im Essener Kulturzentrum »Zeche Zollverein« hielt. Dort diskutierten vermeintliche oder tatsächliche »Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft« die Folgen der »neuen Energiepolitik« in Deutschland – wie auf www.rwe.com nachzulesen ist.

Scafetta verspottet in seinem zwölfseitigen Text sogar den wissenschaftlichen Mainstream und dessen Grundkonsens: »Heutzutage glauben viele, dass die Industrialisierung ab dem 19. Jahrhundert eine globale Erwärmung ausgelöst hat, welche die gesamte Menschheit gefährdet.« Doch sei das globale Klima nie konstant gewesen. Auch werde die »Theorie des menschengemachten Klimawandels« mittlerweile von zahlreichen Studien hinterfragt, behauptet Scafetta. Als Beleg für diese These führt er fünf Texte an – bei drei dieser Texte indes ist Scafetta selbst alleiniger Verfasser, bei einem weiteren fungiert er als Co-Autor.

Der RWE-Konzern betreibt einige der klimaschädlichsten Kohlekraftwerke der Welt – und steht deswegen seit langem massiv in der Kritik von Umweltverbänden. Zuletzt warfen auch Aktionärsvertreter der RWE-Spitze um Konzernchef Jürgen Großmann vor, sich nicht auf ein »verändertes regulatorisches Umfeld« eingestellt zu haben. Gemeint sind damit insbesondere die sich verschärfenden Regeln des Kohlendioxid-Emissionshandels, die den Bau und Betrieb von Kohlekraftwerken in neuem Licht erscheinen lassen müssten.

Will RWE nun den öffentlichen Diskurs zu seinen (und zu seiner Kohlekraftwerke) Gunsten lenken? Zumindest Konzernchef Großmann sucht in letzter Zeit vermehrt die Öffentlichkeit, versucht, die energiepolitische Debatte zu beeinflussen. Dabei droht er mit einer »De-Industrialisierung« Deutschlands wegen zu hoher Energiekosten und einem stärkeren Engagement von RWE im Ausland, also indirekt mit dem Abbau von Arbeitsplätzen.

Bereits im September 2006 hatten für RWE tätige Juristen in einem Verfahren vor dem Kölner Oberlandesgericht bestritten, dass der Treibhauseffekt überhaupt ein reales Problem sei. Die Anwälte, beschäftigt bei der renommierten Kanzlei Baker & McKenzie, sprachen von »subjektiver Wahrnehmung« einer »angenommene[n] Gefahr«, die »weder konkret noch gegenwärtig ist«. Andererseits (und im Widerspruch dazu) pflegt die Unternehmensprosa den nuklearen Beitrag von RWE zur Minderung des Treibhauseffektes hervorzuheben: »Unsere Kernkraftwerke«, heißt es auf der Webseite, »vermeiden rund 40 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Emissionen im Jahr.«

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