Millionen für die Männer-Liga
MEDIENgedanken: Fußball und Übertragungsrechte im Fernsehen
Das Kaffeeservice ist längst im Museum, mit dem die deutschen Fußballerinnen nach dem ersten EM-Titel 1989 vom DFB geehrt wurden. Heute winken den Spielerinnen 60 000 Euro für den Gewinn der Weltmeisterschaft – ein minimaler Bruchteil dessen, was die Männer für die gleiche Leistung im Vorjahr bekommen hätten. Bei der Suche nach den Gründen verweist ihr Arbeitgeber auf den Weltfußballverband und das Fernsehen. »Eine Männer-WM garantiert riesige Einschaltquoten, was sich in den Prämien der FIFA widerspiegelt,« erklärt DFB-Präsident Theo Zwanziger. »Für den Titel bei den Männern sind das 20 Millionen Euro. Bei den Frauen gehen nur eine Million Euro an den Weltmeister.«
Ende Mai schlossen ARD und ZDF mit dem DFB einen 180 Millionen Euro schweren Vertrag über die Rechte für die Frauen-Länderspiele, der Freundschaftsspiele der Männernationalmannschaft sowie der 3. Fußball-Bundesliga für mehrere Jahre. »Wir erlösen mit jedem der sieben Länderspiele der Männer rund vier Millionen Euro, etwas mehr als für die sieben Spiele der Frauen zusammen,« bestätigt Zwanziger das Missverhältnis der Geschlechter »Wir könnten für die Männer-Spiele bei den Privatsendern deutlich mehr erzielen. Diese Sender waren nicht an den Frauen und der 3. Liga interessiert. Die Übertragung dieser Spiele ist nur durch die 3. Programme der ARD gewährleistet.«
Die Freundschaft zwischen DFB und öffentlich-rechtlichen Sendern hört auf, wenn es um die Übertragungsrechte in den oberen Männer-Ligen geht. Bei ihrer Vergabe versucht die Fußball-Liga alle Jahre wieder, die Einnahmen zu steigern. Sie verweist auf England, Italien und Spanien, wo die Bezahlsender horrende Summen für die Rechte auf den Tisch legen. Was die sich natürlich von den Fans vor den Bildschirmen zurückholen.
In Deutschland sind bislang alle Versuche gescheitert, dieses Modell durchzusetzen. Der Schuldige ist für die Verantwortlichen in den Klubs die ARD-Sportschau. Sie biete am Samstag zu früh Bilder von den Spielen. Ein erster Versuch das frei empfangbare Fernsehen vor 22 Uhr bei der Übertragung auszuschalten, scheiterte 2008 am Bundeskartellamt. Es entschied, dass Ausschnitte der Samstagsspiele vor 20 Uhr für jedermann zugänglich sein müssen. Die Preise für die Bundesliga-Rechte blieben konstant: 412 Millionen Euro kassiert die Fußball-Liga jährlich von allen Sendern. Doch die Verantwortlichen der Vereine stichelten weiter. Ulli Hoeneß, Bayern München, überraschte mit dem Vorschlag eines Profi-Soli. Ein Euro sollte jeder Haushalt im Monat mit seinen Fernsehgebühren für die Klubs überweisen.
Mitte Juni hat sich die Fußball-Liga beim Kartellamt nun ein anderes Szenario für die Rechtevergabe ab 2012 absegnen lassen. Neben der Ausschreibung des bewährten Modells mit der »Sportschau« als Garant für den freien Empfang könnte es am Samstag ab 19 Uhr im Internet eine Web-Show mit Spielausschnitten geben. Dabei wird in Kauf genommen, dass Deutschland im kommenden Jahr flächendeckend kaum mit den schnellen Internet-Anschlüssen ausgerüstet sein wird, die den Empfang ruckelfreier Bilder gewährleisten. Der Fan müsste auf den Bezahlsender Sky umsteigen.
Yahoo und Google haben bereits Interesse an den Rechten signalisiert. Für die amerikanischen Internet-Konzerne wäre es der lange angekündigte Einstieg in den deutschen Fernsehmarkt. Sie könnten auch locker den Verlust der Einnahmen aus dem separaten Verkauf der Senderechte ins Ausland kompensieren. 42 Millionen Euro hat die Liga damit 2009/2010 erlöst, ein Jahr später waren es mehr als 50 Millionen Euro. Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. So zahlte Al Dschasira gerade für die Rechte an der französischen Profiliga für den arabischen Raum 100 Millionen Euro. Deshalb konnten die Franzosen verschmerzen, dass ihr Bezahlsender Canal Plus seinen Obulus für die Liga eingefroren hat. Und auch in Deutschland ist fraglich, wie Monopolist Sky reagiert. Werden die Verantwortlichen wirklich einige Millionen mehr auf den Tisch legen, wenn sie wissen, dass eine Web-Show ihnen bald Konkurrenz macht? Der Ausbau von schnellen Internet-Anschlüssen soll nach dem Willen der Bundesregierung ja forciert werden.
So bleibt der Eindruck, dass die Liga vor allem die ARD in eine Zwickmühle bringen will, um einen höheren Preis zu erzielen. Der Sender muss mit dem Geld des Gebührenzahlers mit aggressiven Global Playern konkurrieren. Die Verantwortlichen des Ersten wissen aber auch, dass ihnen die deutschen Landespolitiker ab der neuen Gebührenperiode 2013 keinen Cent mehr zugestehen wollen. Zudem kann sich die ARD nach den Querelen um den Kauf der Rechte an Boxprofikämpfen und dem Erwerb der Rechte für die Fußball-Champions-League durch das ZDF ausrechnen, welche Diskussionen ins Haus stehen, wenn sie für die Fußball-Bundesliga 100 bis 150 Millionen Euro zahlt. Passt sie aber und verliert jüngere Zuschauer und Quote, erntet sie Spott als Rentnersender und die Politiker stellen die Existenz des öffentlich-rechtlichen Systems in Frage.
Doch nur die konzeptionslose Haltung der Medienpolitik der Bundesländer ermöglicht es der Fußball-Liga, den Streit um die Bundesliga-Rechte alle Jahre wieder zu entfachen. Sie bleiben seit Jahren eine Definition der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Auftrags schuldig. Zu ihm sollte auch eine umfangreiche Berichterstattung über die beliebteste Sportart in der Spitze und in der Breite gehören. Das wäre im Interesse der Fans und der Gebührenzahler.
Die Autorin ist freie Medienjournalistin und lebt in Berlin.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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