Trompete und Waschbrett im Wettstreit mit dem Sound der Zahnradbahn
Musikalische Zugfahrten beim 45. Montreux Jazz Festival
Gegen zwei Uhr am Nachmittag erwacht das Festival langsam – bei "Music in the Parc" bringt die Brighton College Swing Band ihr Publikum mit gekonnten Interpretationen von "Theme from Shaft", dem unvermeidlichen "Smoke on the Water" und "Livin' La Vida Loca" in Stimmung – letzteres ein musikalischer Gruß an Ricky Martin, dem Stargast des vorhergehenden Abends, der möglicherweise noch in seiner Suite schlummerte.
Doch mich zieht es zum Bahnhof zurück, denn dort starten die Züge des Montreux Jazz Festival. Niklaus Mani von GoldenPass – dem einheitlichen Marketinglabel der kleinen Bergbahnen, die die alpinen Berge des Genfer Sees erklimmen – begeisterte Claude Nobs für die Zugidee. Der Festivaldirektor wohnt hoch über Montreux in Caux, einer Zugstation auf dem Weg zum 2042 Meter hohen Rochers-de-Naye. In Keller seines legendären Chalet finden sich neben 200.000 Tonträgern – davon 40.000 Vinylplatten – auch Wurlitzer-Jukeboxen und Modelleisenbahnen. So war es ein leichtes, den Festivalchef von den Zugfahrten zu überzeugen, zumal Nobs Züge nicht nur in kleinem Format sammelt, sondern mit den großen Exemplaren seine Reisen durch die Schweiz unternimmt. Dreimal starten die Züge 2011 zu diesem Ziel, eine weitere Musikexpedition auf Schienen wird nach Gstaad führen.
Mehr als 170 Menschen haben in den beiden Zugabteilen Platz genommen und pünktlich zum Start des Zuges beginnen auch die "Jazztronomes" mit ihrem Programm, das New Orleans, Swing und Middle Jazz umfasst. "Jacky au Waschboard" stellt sich vor und die Stimmung steigt je weiter der Zug den Berg hinaufklettert. Neben dem Musikgenuss gibt es auch einen atemberaubenden Blick auf den Genfer See sowie Murmeltiere am Ziel. Sieben von weltweit vierzehn Arten leben in den Parks, wie Niklaus Mani stolz verkündet. Lachend bemerkt er, dass die normalen Zuggäste 6 Franken mehr für die Reise aufbringen müssten – und das ohne New Orleans Jazz wohlgemerkt.
Die "Jazztronomes" finden ihren Weg auch ins Internet, denn Montreux Jazz TV begleitet die Zugfahrt und nehmen fleißig Material auf. Garance Zarn ist als Interviewerin zusammen mit Kameramann Maxime Lonfat an diesem Tag im Zug für das neuartige Projekt unterwegs. Rund 30 Leute tragen Material vom gesamten Festival zusammen und stellen dies vor allem für das Web 2.0 zur Verfügung. Zarn meint, man müsse das Festival zeitgemäß auch bei Facebook und vimeo präsent machen. Bei den Dreharbeiten gäbe es fast jeden Tag Überraschungen, „but it's nice" – so auch die Zeit in der Zahnradbahn.
Hier geht es zum Montreux Jazz TV bei vimeo
Die Linie auf das Rochers-de-Naye Bergmassiv existiert seit 1892. Und auch heute ist eine Fahrt mit der Zahnradbahn eine mitreissende Erfahrung. Oben im Restaurant wurden die Jazzfans mit einem Konzert beider Bands unterhalten – der Höhepunkt war die gemeinsame Jamsession, da fast alle Instrumente von Banjo über Trompete bis zu Klarinette doppelt vertreten sind, wurde das Finale mit enormer Power getragen. Nur das Waschbrett von Roland Pellet – so heißt Jacky im bürgerlichen Leben – blieb Unikat. Schnell fand sich auch ein Pärchen, das entspannt zu Tanzen beginnt. Kurz vor 19 Uhr traf die gutgelaunte Reisegesellschaft wieder in Montreux ein, wo der abendliche Konzertmarathon ein weiteres Mal seinen Anfang nahm.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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