Dem Tode entflohen
Der Kampf des Alfred Schellenberger gegen das NS-Regime
Für mich ist das Leben abgeschlossen, aber welch schwere Zeit gehst Du noch mit den Kindern entgegen, das werden meine Gedanken bis zuletzt sein.« Dies schrieb der zum Tode verurteilte Kommunist Alfred Schellenberger Ende Dezember 1944 an seine Frau Charlotte. Seine Briefe, die private Einblicke in eine finstere Zeit geben, stehen im Mittelpunkt dieses Buches.
Man ist berührt – und dankbar, dass Anneliese Schellenberger die Briefe ihrer Eltern aufbewahrt hat und nun mit professioneller Hilfe publik macht. Ulrich Schneider, Generalsekretär der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR), und der Gewerkschaftssekretär Horst Gobrecht zeichnen nicht nur den Lebensweg des Kommunisten und Widerstandskämpfers Alfred Schellenberger auf, sondern auch den eines sorgenvollen Vaters und aufmerksamen Ehemannes.
Der 1898 geborene Mechaniker, seit 1912 in der Arbeiterjugend organisiert, war 1915 als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg gezogen. Die blutigen Schlachten politisierten ihn; er trat 1919 in die USPD ein. Die Jahre der Inflation überbrückte er mit Dienst in der Fremdenlegion. Zurückgekehrt nach Deutschland schloss er sich 1927 der SPD an. Im selben Jahr heiratete er. 1927 und 1929 wurden die Töchter Hildegard und Annelise geboren. Aus Protest gegen die Tolerierungspolitik der SPD-Führung trat Schellenberger 1930 zur KPD über. Als Instrukteur der KPD in Wiesbaden arbeitete er aktiv gegen das NS-Regime, wurde im März 1933 festgenommen und durchlitt bis Januar 1934 »Schutzhaft«, zuletzt im KZ Esterwegen. Ein halbes Jahr später erneut verhaftet, sprach ihn das Oberlandesgericht Wiesbaden aus Mangel an Beweisen frei. Die »Freiheit« endete im August 1935. Bis April 1939 war Schellenberger in den KZ Sachsenburg, Lichtenburg und Buchenwald inhaftiert. Er gehörte zu jenen, die aus Anlass des 50. Geburtstages von Hitler entlassen wurden.
Nunmehr in Leipzig lebend, schloss sich Schellenberger der dortigen, von Georg Schumann und William Zipperer geführten Widerstandsgruppe an. Erneut schlug die Gestapo zu. Vier Tage vor Weihnachten 1944 zum Tode verurteilt, gelang dem in Dresden inhaftierten Schellenberger in der Bombennacht vom 13./14. Februar 1945 die Flucht aus dem Gefängnis am Münchner Platz. In einer Todesnacht entkam der Todgeweihte dem Tod. Er versteckte sich bis zur Befreiung im April 1945. Danach stürzte sich Schellenberger sogleich in die antifaschistische Aufbauarbeit, gehörte zur Leitung des NKFD bzw. dann des Antifa-Komitees in Leipzig. Die ihm später in der SBZ/DDR übertragenen Aufgaben erfüllte er mit großer Hingabe. Eine nette Episode: Der Leipziger Propst und spätere Bischof von Meißen Otto Spülbeck bedankte sich 1949 persönlich bei dem Kommunisten für dessen Unterstützung bei einer gelungenen Fronleichnamsprozession auf der Leipziger Pferderennbahn.
1956 übernahm Schellenberger die Funktion eines hauptamtlichen SED-Sekretärs, verantwortlich für die Hochschulen für Musik, für Grafik und Buchkunst sowie für die Schauspielschule. Kurz vor Vollendung seines 65. Lebensjahres starb Alfred Schellenberger am 22. Februar 1963 in Leipzig.
Ein eindrucksvolles Buch über einen beeindruckenden und bescheidenen Mann, das viele, vor allem junge Leser finden sollte.
Ulrich Schneider/Horst Gobrecht: »... einen bescheidenen Beitrag geleistet«. Alfred Schellenberger – antifaschistischer Widerstand und Briefe aus den Konzentrationslagern Lichtenburg und Buchenwald. GNN Verlag, Schkeuditz 2011. 250 S., br., 16,50 €.
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