Eine Straße für Amadeu Antonio?
Timo Reinfrank über die Gedenkpolitik im brandenburgischen Eberswalde
ND: Der ehemalige DDR-Vertragsarbeiter Amadeu Antonio starb im Dezember 1990 an den Folgen eines Überfalls von Neonazis in Eberswalde. An diesem Freitag, den 12. August, soll in der brandenburgischen Stadt eine Straße symbolisch nach dem Angolaner benannt werden. Wann wird die offizielle Umbenennung erfolgen?
Reinfrank: Das soll in einem Jahr passieren. Man muss bei einer Straßenumbenennung eben auch die Anwohner einbeziehen, damit diese genügend Zeit haben, sich darauf einzustellen. Auch muss der Stadtrat zustimmen. Der eigentliche politische Prozess beginnt gerade erst. Für die Umbenennung wurden 500 Unterschriften gesammelt. Das Ziel der Barnimer Kampagne »Light me Amadeu« ist, die Straße am 12. August nächsten Jahres zum 50. Geburtstag von Amadeu Antonio offiziell umzubenennen.
Nach welchen Kriterien wurde die Straße für die Umbenennung ausgewählt?
Sie befindet sich in der Nähe des Tatortes, wo damals Amadeu Antonio überfallen wurde. Es ist außerdem positiv zu bewerten, dass eine Straße einen Namen des Opfers tragen wird, die so zentral in der Stadt gelegen ist. Das finde ich schon sehr angemessen. Besser als wenn es an irgendeiner unbewohnten Straße wäre.
Wie geht die Stadt Eberswalde heute mit dem rassistischen Mord um?
In Eberswalde ist insgesamt ein Prozess in Gang gekommen, sich damit auseinanderzusetzen. In den letzten Jahren hat dort wirklich ein Prozess der Veränderung eingesetzt. Zuvor hatte es dort eine gewisse Verdrängung gegeben. Aber beim 20. Jahrestag des Übergriffes im vergangenen Jahr waren engagierte Jugendliche der Kampagne »Light me Amadeu« bei den zahlreichen Veranstaltungen in der Stadt. Zudem nehmen heutzutage auch mehr offizielle Vertreter der Stadt und des Landkreises an diesen Aktionen teil. Die politisch Verantwortlichen in der Stadt haben inzwischen gemerkt, was früher unterlassen wurde.
Wie bewerten Sie insgesamt die Gedenkpolitik des Landkreises und der Stadt? Diese hat zwar immerhin eine Gedenktafel anbringen lassen, aber die versprochene Hilfe für die Hinterbliebenen soll niemals angekommen sein.
Ja, genau. Das war damals ein Kreistagsbeschluss. Danach sollten die Überführungs- und Grabsteinkosten übernommen werden. Das ist aber nicht weiter verfolgt worden. Der Leichnam wurde ohne eine Form von Anteilnahme seitens der Stadt übergeben. Die Mutter von Amadeu Antonio lebt in sehr ärmlichen Verhältnissen, und es gibt nach wie vor keinen Grabstein für ihn.
Außerdem ist es laut der angolanischen Community nach dem Mord noch schlimmer für sie in Eberswalde geworden. Sie wurde offensichtlich für den Imageschaden der Stadt verantwortlich gemacht. Nach wie vor könnte man mehr tun, um auf die Angolaner zuzugehen.
Was zum Beispiel könnte getan werden?
Mehr Engagement, wenn es darum geht, diese in das offizielle Leben der Stadt einzubinden, oder deren Interessen zu fördern. Die Stadt hat aber immerhin seit dem letzten Jahr angefangen, sich zu bemühen, verstärkt Gelder hierfür zur Verfügung zu stellen. Es gab mehrere Brandanschläge auf den afrikanischen Kulturverein. Nun ist auch mit Unterstützung unserer Stiftung und der Stadt sowie des Landeskreises ein neuer Kulturraum gemietet worden. Das sind nicht nur symbolische Schritte. Im Unterschied zu vergleichbaren Städten bewegt sich etwas in Eberswalde.
Fragen: Aert van Riel
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