BLOGwoche: Datenschutz und ältere Frauen

  • Antje Schrupp
  • Lesedauer: 2 Min.

(Jüngst) hörte ich zufällig im Radio ein Interview mit Thilo Weichert, dem Datenschutz-Beauftragten von Schleswig-Holstein, der ja derzeit wieder mit seiner Kritik an Facebook in allen Medien ist. Dazu geschnitten war ein Beitrag über die Postprivacy-Theorien, wonach Privatsphäre sowieso ein veraltetes Konzept ist. Mich hat diese Sendung (wie viele Medienberichte zu dem Thema) sehr geärgert, weil ich es höchst problematisch finde, wenn die Diskussionen über die Veränderungen durch soziale Internet-Netzwerke immer als Konflikt zwischen diesen beiden Standpunkten dargestellt werden. Vor allem musste ich daran denken, wie wohl die zahlreichen älteren Frauen (die ja viel Radio hören) diesen Beitrag aufgenommen haben. Denn man muss sich mal vor Augen führen, dass von den Frauen über 65 Jahren zwei Drittel das Internet noch überhaupt nicht nutzen. Geschweige denn Facebook oder andere soziale Netzwerke.

Diese Abstinenz der großen Mehrheit älterer Frauen halte ich für höchst riskant. Eine Frau, die heute 65 ist, kann noch gut zwei oder drei Jahrzehnte leben. Ohne Kompetenzen im Internet zu erwerben koppelt sie sich von einem Kommunikationsmedium ab, das heute schon extrem wichtig ist und in Zukunft immer wichtiger werden wird. Dadurch verschließt sie sich Ressourcen, die für ihr Leben extrem nützlich und teilweise unverzichtbar sind. Immer mehr Informationen bekommt man überhaupt nur über das Internet. Soziale Kontakte – vor allem zu jüngeren Menschen – sind ohne Internetnutzung (und vermutlich gerade auch ohne die Nutzung sozialen Netzwerke) immer schwieriger aufrecht zu erhalten. Das Internet ist längst keine Spielerei für einige Nerds mehr, sondern eine Notwendigkeit im Alltag, und vor allem auch im Alltag älterer Menschen (...)

Oft sind ja Unwissenheit, diffuse Ängste und Unsicherheit der Technik gegenüber der Grund dafür, dass ältere Frauen sich vom Internet fern halten. Was sollen sie wohl von einem Hinweis halten, wie ihn Thilo Weichert allen Ernstes vorgebracht hat, dass man, bevor man Google nutzt, erst einmal die eigene IP-Adresse verschleiern soll?

Die Autorin ist Journalistin und Politikwissenschaftlerin und lebt in Frankfurt am Main; zum Weiterlesen: antjeschrupp.com

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