2002: Unvergessliche Auftritte - auch von Nachbarn
45. Montreux Jazz Festival: Blick zurück in die Geschichte des Traditionsevents
Viele Musiker haben die Ruhe der Alpen rund um den Genfer See genutzt, um Aufnahmen zu machen und einige blieben, um sich dort vom Stress ihres Berufes zu erholen. Queen und David Bowie gehören dazu. David Bowie zog 1978 nach den Aufnahmen von "Heroes" nach Blonay - einer mittelgroßen Gemeinde im Kanton Waadt mit rund 5000 Einwohnern. Das Dorf selbst liegt am Fuss der Pléiades und viele Touristen kommen, um das imposante Schloss zu besichtigen. In wenigen Minuten ist man in Montreux, Abgeschiedenheit und die verblasste Welt der großen Hotels liegen wenige Kilometer Luftlinie auseinander. Bei meinem Montreux-Besuch 2010 hatte ich mich auch in einem Chalet in Blonay einquartiert. Nach der Anreise mit der Zahnradbahn waren die Glocken der Kühe meist die einzigen Geräusche, die hier oben zu hören waren. 1981 entstand mit "Under Pressure" eine Kollaboration von Queen und David Bowie - eine Jamsession unter Nachbarn gewissermaßen.
Bowie lieferte 2002 beim Montreux Jazz Festival einen beeindruckenden Auftritt, diese Tournee wurde zwar "Heathen-Tour" nach dem aktuellen Album genannt, Höhepunkt der Shows war jedoch die Platte "Low" aus dem Jahr 1977, die komplett live performt wurde. "Low" ist der erste der Teil der Berlin Trilogie, die viele zu den besten Arbeiten des musikalischen Chamäleons zählen. Damals wusste niemand, dass die nächste Reise bis heute die letzte bleiben sollte. 2004 erlitt David Bowie bei einem Konzert einen Herzinfarkt und beschränkte seither seine musikalischen Ambitionen auf einige Gastauftritte bei Plattenaufnahmen oder Auftritten anderer Künstler.
Die neuere Musik kommt neben den "üblichen Verdächtigen" mit Muse, Garbage oder Air zum Zuge. Mit Ike Turner trat ein besonders schlecht beleumundeter Musiker am 19. Juli 2002 auf die Bühne des Auditorium Stravinsky. Im biografischen Film über den Aufstieg seiner Frau verkörperte er die Rolle des prügelnden Ehemanns und wurde so einem Massenpublikum als Bösewicht serviert. Claude Jobs schreibt im Erinnerungsbuch, dass es an diesem Abend einen Punkt gab, wo das Publikum nicht mehr aufhören wollte zu applaudieren "and he just couldn't stop crying." Ein Schurke, der zu Tränen gerührt wird - das gibt es auch bei "Funky Claude" nicht alle Tage. Mit Ehefrau hatte Ike auch einen Auftritt in Montreux - allerdings nicht beim Festival. Fünf Jahre nach seinem Auftritt am Genfer See starb Ike Turner stilistisch passend für seine Rolle an einer Überdosis Kokain. Mit dieser Droge hatte auch der "Thin White Duke" Bowie genügend Erfahrungen gesammelt, allerdings rechtzeitig den Absprung aus dieser Szene geschafft.
Aus deutscher Sicht war "Gourmet de Funk" mit Mousse T. einer der Höhepunkte. Der deutsch-türkische Produzent und Komponist befand sich auf dem bisherigen Zenit seiner Karriere. Nach "Horny" und "Sexbomb" für Tom Jones tanzte man in vielen Clubs zum Funk aus Hannover. Wie viele Namen der Programme des Montreux Jazz Festival gehört er heute zu den verblassenden. Die Míschung des Jahres 2002 entsprach der bekannten Hitformel - ein paar Experimente und ein bunter Strauß bewährter Gäste. Büsten von B.B. King und Ray Charles wurden an der Uferpromenade feierlich enthüllt - bis heute zählt der lebendige King zu den gern gesehenen Gästen in Montreux.
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