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Linkes Bündnis bei den Duma-Wahlen?

Auftakt zum Wahlkampf in Russland

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
In Russland fällt dieser Tage der offizielle Startschuss für den Wahlkampf. Sobald der am Montag von Präsident Dmitri Medwedjew unterzeichnete Erlass über den Termin der Duma-Wahlen – 4. Dezember – in der amtlichen »Rossijskaja Gaseta« veröffentlicht ist, können Kandidatenaufstellung und Wahlwerbung beginnen.

Die Frau mittleren Alters trägt ein Kopftuch mit traditionellen Mustern, der Mann gleichen Jahrgangs spielt auf dem Bajan, ein blasser Grundschüler trägt trotz sommerlicher Temperaturen eine Pelzmütze wie die Rotarmisten der ersten Generation. Das Trio – offenkundig keine Familie, sondern Vertreter einer linken Gruppe der so genannten unversöhnlichen Opposition – singt vor einer Metrostation im Moskauer Nordwesten Lieder aus Bürger- und Interventionskriegen. Zwischen den Darbietungen versucht es, Passanten von der Notwendigkeit eines Boykotts der Duma-Wahlen Anfang Dezember zu überzeugen. Aber kaum einer bleibt stehen.

Ähnlich erfolglos agitieren mit gleichem Ziel Vertreter der liberalen, ebenfalls nicht in der Duma vertretenen Opposition. Deren Frontmann Boris Nemzow nannte die bevorstehende Wahl eine Farce ohne realen Alternativen. Auch weil das Justizministerium seiner Partei der Volksfreiheit, die er zusammen mit dem ehemaligen Premier Michail Kasjanow und anderen Regierungskritikern gegründet hatte, die Zulassung verweigerte.

Sieben Parteien dürfen sich demnach den Wählern präsentieren: die vier bisherigen Duma-Parteien – Einiges Russland, Gerechtes Russland, die KP der Russischen Föderation und Wladimir Shirinowskis Liberaldemokraten – sowie die »Rechte Sache« des Multimilliardärs Michail Prochorow, die linksliberale Partei »Jabloko« und die »Patrioten Russlands«. Auf 7 Prozent wurde die Latte für den Sprung in die Duma in Fraktionsstärke gelegt. Wer auf 5 oder 6 Prozent kommt, kann mit einem oder zwei Mandaten bedacht werden.

Aufsehen erregte jüngst ein Bündnisangebot der »Gerechten Russen« an die KPRF. Das verwunderte deshalb, weil Gerechtes Russland 2006 von Polittechnologen aus dem Kreml als linkssoziale Pseudo-Opposition geschaffen worden war, um den Kommunisten Wähler abspenstig zu machen. Bei den Wahlen 2007 kam die Partei auf Platz drei und zog mit 34 Abgeordneten in die Duma ein. Dort nahm sie ihre Rolle als Gegengewicht zu den »Einheitsrussen jedoch ernster, als ihren geistigen Vätern lieb war. Vollständig entglitt sie deren Kontrolle, als Parteichef Sergej Mironow im Frühsommer durch eine Intrige des Einigen Russlands seinen Posten als Präsident des Föderationsrates verlor.

So wollen die »Gerechten« gleich nach der Sommerpause des Parlaments Gesetzentwürfe einbringen, mit denen die Direktwahl von Gouverneuren und Föderationsratsmitgliedern wieder eingeführt wird. Ebenso das Recht, »gegen alle« zu stimmen – eine Möglichkeit, die sich angeblich bis zu 60 Prozent der politikverdrossenen Russen wünschen. Zwar haben diese Vorlagen aufgrund der Zweidrittelmehrheit, über die die »Einheitsrussen« derzeit in der Duma verfügen, keine Chance auf Verabschiedung. Doch die Projekte eignen sich als Zugnummern für den Wahlkampf. Mit ähnlichen Forderungen wollen auch die Kommunisten ihre Stammwählerschaft konsolidieren. Nikolai Lewitschew, Fraktionschef des Gerechten Russlands, hat der Führung der KPRF daher ein Wahlbündnis angeboten. Gemeinsam hätten beide durchaus Chancen, dem Einigen Russland, dessen Ruf ziemlich angeschlagen ist, zumindest die bisherige verfassungsändernde Mehrheit abzunehmen.

Mit der Generation um den KPRF-Vorsitzenden Gennadi Sjuganow lässt sich das Vorhaben allerdings nicht durchsetzen. Obwohl Jüngere die KPRF nach dem Vorbild linker Parteien in Osteuropa wohl gerne modernisieren und für Bündnisse tauglich machen würden. Sjuganows Stellvertreter Iwan Melnikow glaubt, der Vorschlag des Gerechten Russlands sei nur von der Furcht diktiert, im Alleingang an der 7-Prozent-Hürde zu scheitern, denn seit Mironow seinen Posten verloren hat, mangelt es der Partei an »administrativen Ressourcen« und finanzieller Unterstützung. Vor allem aber: Die Bildung von Wahlblöcken ist nicht mehr erlaubt.

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