Bundesrat könnte heute CCS-Gesetz kippen

Vattenfall setzt vorsorglich sein Projekt eines Testkraftwerkes in Jänschwalde aus

  • Michael Neuss
  • Lesedauer: 3 Min.
Das umstrittene CCS-Gesetz zur Verpressung von Kohlendioxid im Erdinneren steht im Bundesrat vor dem Scheitern. Die rheinland-pfälzische Bundesratsministerin Margit Conrad (SPD) sagte gestern, dass es für das Gesetz keine Mehrheit in der Länderkammer gebe.

Mit dem Gesetz soll die unterirdische Kohlendioxidspeicherung ermöglicht werden. Die CCS-Technologie soll es ermöglichen, das bei der Verbrennung von Kohle in Kraftwerken anfallende Kohlendioxid (CO2) abzutrennen, zu verflüssigen und über Rohrleitungen in unterirdische Lager zu verpressen. Das Gesetz sieht eine Erprobungsphase bis 2017 vor. In zwei bis drei Lagern sollen maximal je drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr gespeichert werden. Als Standorte kommen vor allem Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg in Betracht. Dies löst dort massive Proteste aus.

Die Aussicht, ein CO2-Lager in der heimatlichen Region unter den Füßen zu haben, bringt nicht nur die Bürger auf die Barrikaden, sondern sorgt auch für Streit zwischen Bund und Ländern. Zugleich beabsichtigt der Vattenfall-Konzern, für 1,5 Milliarden Euro ein Testkraftwerk zur unterirdischen Speicherung des Klimakillers CO2 im brandenburgischen Jänschwalde zu errichten. Dort betreibt er bereits ein Braunkohlekraftwerk.

Kritiker befürchten nicht nur, dass das giftige CO2-Gas aus den unterirdischen Speichern entweichen könnte, sondern auch, dass der hohe CCS-Verpressungsdruck Giftstoffe in das Trinkwasser drücken und so die Wasserversorgung großer Gebiete verseuchen könnte.

Um die Länderkammer zu gewinnen, hatte die Bundesregierung bereits einige Zugeständnisse gemacht. So können die Länder die CO2-Speicherung auf ihrem Gebiet unter bestimmten Bedingungen untersagen. Doch Länder wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wollen diese »Länderklausel« nun noch schärfer fassen. Hamburg und Brandenburg wiederum gehen die Klauseln zu weit. Wenn man den Ländern erlaube, »bestimmte Gebiete oder ihr gesamtes Territorium von vornherein als mögliche Speicherregionen auszuschließen« drohe ein »Ausstiegswettbewerb«. Es müsse bei jedem Standort eine sachorientierte Einzelfallentscheidung getroffen werden.

Um den Bundesrat zu passieren, braucht das Gesetz die absolute Mehrheit der Stimmen, die die schwarz-gelb regierten Länder im Bundesrat nicht mehr mobilisieren können. Da auch die Enthaltungen in der Länderkammer wie Nein-Stimmen wirken, dürfte das Gesetz durchfallen. Die Bundesregierung kann nun versuchen, über den Vermittlungsausschuss eine Einigung zu Stande zu bringen. Aber das kann dauern.

Für den Vattenfall-Konzern ist das offenbar alles zu viel. Er ließ gestern mitteilen, dass er den geplanten Bau seines Testkraftwerks aufgeben will. Wie die »Mitteldeutsche Zeitung« berichtete, missfällt dem Konzern vor allem die lange Schadenshaftungsdauer und dass das Gesetz bereits in ein paar Jahren überprüft werden soll. Wenig später korrigierte der Konzern seine Erklärung allerdings. Man wolle erst die heutige Entscheidung des Bundesrates abwarten. Ein Verzicht Vattenfalls auf das Projekt Jänschwalde steht also noch nicht fest.

Fest steht hingegen der Unwille der betroffenen Menschen, sich abzufinden. Namens des Bundesrates wird vor dessen Sitzung heute Harald Wolf, der scheidende Wirtschaftssenator Berlins, den Appell von Bürgerinitiativen gegen CO2-Verpressung und Kohleverstromung sowie Unterschriftenlisten von Bürgerinitiativen entgegennehmen. Auf Seiten der Protestierer auch Bundestagsabgeordnete der LINKEN.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!