Bundesrat könnte heute CCS-Gesetz kippen
Vattenfall setzt vorsorglich sein Projekt eines Testkraftwerkes in Jänschwalde aus
Mit dem Gesetz soll die unterirdische Kohlendioxidspeicherung ermöglicht werden. Die CCS-Technologie soll es ermöglichen, das bei der Verbrennung von Kohle in Kraftwerken anfallende Kohlendioxid (CO2) abzutrennen, zu verflüssigen und über Rohrleitungen in unterirdische Lager zu verpressen. Das Gesetz sieht eine Erprobungsphase bis 2017 vor. In zwei bis drei Lagern sollen maximal je drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr gespeichert werden. Als Standorte kommen vor allem Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg in Betracht. Dies löst dort massive Proteste aus.
Die Aussicht, ein CO2-Lager in der heimatlichen Region unter den Füßen zu haben, bringt nicht nur die Bürger auf die Barrikaden, sondern sorgt auch für Streit zwischen Bund und Ländern. Zugleich beabsichtigt der Vattenfall-Konzern, für 1,5 Milliarden Euro ein Testkraftwerk zur unterirdischen Speicherung des Klimakillers CO2 im brandenburgischen Jänschwalde zu errichten. Dort betreibt er bereits ein Braunkohlekraftwerk.
Kritiker befürchten nicht nur, dass das giftige CO2-Gas aus den unterirdischen Speichern entweichen könnte, sondern auch, dass der hohe CCS-Verpressungsdruck Giftstoffe in das Trinkwasser drücken und so die Wasserversorgung großer Gebiete verseuchen könnte.
Um die Länderkammer zu gewinnen, hatte die Bundesregierung bereits einige Zugeständnisse gemacht. So können die Länder die CO2-Speicherung auf ihrem Gebiet unter bestimmten Bedingungen untersagen. Doch Länder wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wollen diese »Länderklausel« nun noch schärfer fassen. Hamburg und Brandenburg wiederum gehen die Klauseln zu weit. Wenn man den Ländern erlaube, »bestimmte Gebiete oder ihr gesamtes Territorium von vornherein als mögliche Speicherregionen auszuschließen« drohe ein »Ausstiegswettbewerb«. Es müsse bei jedem Standort eine sachorientierte Einzelfallentscheidung getroffen werden.
Um den Bundesrat zu passieren, braucht das Gesetz die absolute Mehrheit der Stimmen, die die schwarz-gelb regierten Länder im Bundesrat nicht mehr mobilisieren können. Da auch die Enthaltungen in der Länderkammer wie Nein-Stimmen wirken, dürfte das Gesetz durchfallen. Die Bundesregierung kann nun versuchen, über den Vermittlungsausschuss eine Einigung zu Stande zu bringen. Aber das kann dauern.
Für den Vattenfall-Konzern ist das offenbar alles zu viel. Er ließ gestern mitteilen, dass er den geplanten Bau seines Testkraftwerks aufgeben will. Wie die »Mitteldeutsche Zeitung« berichtete, missfällt dem Konzern vor allem die lange Schadenshaftungsdauer und dass das Gesetz bereits in ein paar Jahren überprüft werden soll. Wenig später korrigierte der Konzern seine Erklärung allerdings. Man wolle erst die heutige Entscheidung des Bundesrates abwarten. Ein Verzicht Vattenfalls auf das Projekt Jänschwalde steht also noch nicht fest.
Fest steht hingegen der Unwille der betroffenen Menschen, sich abzufinden. Namens des Bundesrates wird vor dessen Sitzung heute Harald Wolf, der scheidende Wirtschaftssenator Berlins, den Appell von Bürgerinitiativen gegen CO2-Verpressung und Kohleverstromung sowie Unterschriftenlisten von Bürgerinitiativen entgegennehmen. Auf Seiten der Protestierer auch Bundestagsabgeordnete der LINKEN.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.