Lichtsmog belastet Gesundheit
Projekt untersucht Auswirkungen des Verlustes der Nacht auf den menschlichen Körper
In den vergangenen Jahren ist die Lichtverschmutzung weltweit im Schnitt etwa um sechs Prozent pro Jahr gewachsen, wie Franz Hölker, Leiter des interdisziplinären Projekts »Verlust der Nacht«, erklärt. In Deutschland gebe es nur in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg noch richtig dunkle Flecken, künstliche Beleuchtung habe sich auf dem Land etabliert.
Das könnte dem Menschen schaden, denn sein Schlaf-Wach-Rhythmus orientiert sich am Licht. »Tagsüber sitzen viele Leute in Büros bei einer Lichtstärke von bis zu 500 Lux, während draußen an einem strahlenden Sommertag bis zu 100 000 Lux gemessen werden«, sagt Hölker. »Durch künstliche Beleuchtung verlängern wir den Tag bis weit in die Nacht hinein.«
»Licht unterdrückt die Ausschüttung von Melatonin«, erklärt der Schlafforscher Prof. Jürgen Zulley von der Universität Regensburg. Dieses Hormon ist maßgeblich für das Gefühl von Müdigkeit verantwortlich und wird bei Dunkelheit gebildet. Dabei kommt es neben der Intensität auf die Art des Lichts an: »Vor allem blaues, kurzwelliges Licht hat einen wachmachenden Effekt«, sagt Zulley. »Am Morgen hat das natürliche Licht nicht umsonst einen besonders hohen Blauanteil.« Vor zehn Jahren entdeckten Forscher einen Rezeptor in der Netzhaut des Auges, der vor allem auf blaues Licht reagiert, indem er die Melatoninproduktion drosselt. Wenn der Mensch zu ungewohnten Zeiten hellem Licht mit hohem Blauanteil ausgesetzt ist, kann sein Rhythmus durcheinander geraten.
Ob der Einfluss der Straßenbeleuchtung so groß ist, dass sie handfeste Schlafprobleme verursachen kann, ist noch unklar. Im Herbst startet dazu eine Studie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund: 400 Bewohner einer kleinen Gemeinde, die erst dann eine Straßenbeleuchtung bekommt, sollen zu ihrem Schlafverhalten befragt werden. »Es ist denkbar, dass man wegen der Beleuchtung ein bisschen schlechter schläft«, sagt Prof. Barbara Griefahn, Leiterin der Untersuchung.
Möglicherweise erhöht Lichtsmog auch das Risiko für Prostata- und Brustkrebs. Denn Melatonin fängt im Blut freie Radikale ab, die Krebs fördern können. Krebs kann leichter wachsen, wenn dem Körper auf Dauer zu wenig Melatonin zur Verfügung steht. So deckten Wissenschaftler der Universität Haifa auf, dass in stark beleuchteten Gebieten Brust- und Prostatakrebs deutlich häufiger vorkommen. Allerdings ist nicht erwiesen, dass allein Lichtsmog an dieser Häufung schuld ist. Griefahn hält einen Zusammenhang zwischen Lichtverschmutzung und Krebsrisiko für möglich. Unter normalen Bedingungen dürfte der Effekt aber eher klein sein.
Lichtverschmutzung könnte noch weitere negative Folgen haben: Da die nächtliche Erholungsphase gestört wird, könnte auch das Immunsystem beeinträchtigt werden, sagt Hölker. Die Forschung stecke noch in den Kinderschuhen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt »Verlust der Nacht«, an dem zehn wissenschaftliche Institute beteiligt sind, soll das ändern.
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