Lebensmittelbranche poliert ihr Image

Anuga-Messe in Köln präsentiert Konsumtrends jenseits der »Hauptsache billig«-Prinzips

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
In Köln trifft sich die Lebensmittelbranche derzeit zur ihrer weltgrößten Messe.
Bioprodukte sollen im Trend sein, sind aber auf der Messe kaum zu finden.
Bioprodukte sollen im Trend sein, sind aber auf der Messe kaum zu finden.

Hier kommt selbst der Bio-Vegetarier jüdischen Glaubens auf seine Kosten. Doch auch wenn alternativer Konsum »in« sein mag, auf der weltgrößten Lebensmittelmesse Anuga und den Märkten dominieren die konventionellen Anbieter.

Im Vorfeld der Messe hatte Franz-Josef Möllenberg auf die Folgen des Preiskampfes bei Lebensmitteln hingewiesen. Allzu billige Preise würden nicht nur die hohe Qualität deutscher Lebensmittel gefährden, so der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung, Genussmittel, Gaststätten (NGG). Es seien gerade die Arbeitnehmer in der Branche, die die Zeche dafür zahlen, wenn Discounter ihre Preiskämpfe ausföchten.

Gleichwohl, in Deutschland ginge der Trend weg von der Billigheimerei: Öko, regional, Bio - solchen Produkten gehöre ein wachsender Marktanteil, so Möllenberg. Die Verbraucher seien bereit, für mehr Qualität, besseren Tierschutz und die Einhaltung sozialer Standards zu zahlen. Aber auch in diesen Sektoren sei der Preiskampf längst ausgebrochen - und auch hier werde er auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen.

Auf der Anuga selbst spiegelte sich der vermeintlich verstärkte Trend zum alternativen Konsum - dazu zählen auch fair gehandelte und vegetarische Produkte - nicht unbedingt wider. Während die Branche 2008 einen weltweiten Umsatz von 36,5 Milliarden Euro erwirtschaftete, knapp die Hälfte davon in den USA, ist sie in Köln nur mit wenigen Ständen vertreten.

Gleiches gilt für fair gehandelte Produkte. Dabei hat der faire Handel zwischen 2009 und 2010 einen Zuwachs von 27 Prozent erfahren. Er profitiert davon, dass viele Supermarktketten, darunter sogar seit Jahren Lidl, Produkte ins Sortiment aufnehmen, die den Bauern im globalen Süden eine Bezahlung oberhalb der Weltmarktpreise garantieren. Und der Branche exorbitant hohe Handelsspannen.

»Die Anuga verschläft den vegetarischen Trend«, konstatiert Freddy Ulrich, während er dem nd-Reporter vegane Feinkost am Stand seiner Firma Lord Of Tofu serviert, darunter einen wirklich exquisiten mediterranen Räuchertofu. Während auch im Bio-Segment Soja-Bohnen über den halben Planeten gekarrt werden, stammen sie bei Lord Of Tofu nach Firmenangaben zu hundert Prozent aus Süddeutschland. Derweil bietet die belgische Firma BioBistro Sausages fleischfreie Salami an, die als koscher zertifiziert ist.

Geht der Trend also tatsächlich weg vom »Hauptsache billig!«-Prinzip? »Die Qualitätsorientierung der Verbraucher hält an,« resümiert der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels unter Bezug auf Bio- und regionale Produkte. Der Verbraucher sei bereit, diesbezüglich mehr zu zahlen, wird Edeka-Chef Markus Mosa im »Handelsblatt« zitiert. Allerdings nur dann, wenn ein Mehr an Qualität transparent nachvollziehbar sei.

Die Hersteller stünden unter Zugzwang, weiß die »Lebensmittelzeitung« zu berichten. Um das Qualitätsimage der Ernährungsbranche sei es nämlich schlecht bestellt. Dafür macht das nach eigenen Angaben »führende Fachmedium für die Konsumgüter-Branche« vor allem »das Dauerbombardement von selbsterklärten Verbraucherschützern« aus.

Die Worte »Transparenz«, »Nachhaltigkeit«, »Qualität« und »Werte« fallen die Anuga-Besucher von allen Seiten an. Selbst der Hühner-Eintopf aus der Dose soll nach einem »Reinheitsgebot« hergestellt sein - das der Hersteller freilich selbst ersann. Etwas ehrlicher ist da jener dänische Hersteller, der auf einem Großplakat Schweine abbildet und als »Fleisch-Rohmaterial« bezeichnet. Der Bio-Anteil an den Umsätzen des deutschen Lebensmittelhandels beträgt derzeit übrigens 3,5 Prozent.

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