Spaniens Konservative siegessicher

Wahlkampf-Auftakt sieht abgewirtschaftete Sozialisten in hoffnungsloser Position

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.
Fast fünf Millionen Menschen sind in Spanien arbeitslos, und angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung muss man kein Prophet sein, um vorhersagen zu können, dass bis zum Jahresende Tausende weitere Menschen ihren Job verlieren werden. In diesem Klima fand gestern der Wahlkampf-Auftakt statt.

Traditionell haben die Parteien in Spanien in der Nacht zu Freitag den Wahlkampf mit dem Kleben der Plakate gestartet. Zwei Wochen nun wird bis zum 20. November intensiv um die Wählergunst geworben. Die Prognosen zeigen, dass es der konservative Oppositionsführer Mariano Rajoy im dritten Anlauf zum Ministerpräsident schaffen dürfte. Der Abstand seiner Volkspartei (PP) zu den Sozialisten (PSOE) ist so groß, dass sich die PP erneut eine absolute Mehrheit erhofft. Diese komfortable Situation hatte sie schon in den Jahren 2000 bis 2004 unter José María Aznar.

Der Wahlkampf in Spanien wird von der wirtschaftlichen Misere bestimmt. Ein deutlicher Ausdruck davon waren die Horrorzahlen vom Arbeitsmarkt, die das Arbeitsministerium am Donnerstag vorgelegt hat. Erneut haben 134 128 Menschen ihren Job verloren. Da Ende der vergangenen Woche die Nationale Statistikbehörde ermittelt hatte, dass schon im dritten Quartal fast fünf Millionen Menschen real ohne Stelle waren, wurde diese magische Grenze deutlich überschritten.

»Wir müssen ihnen keine auf die Mütze geben, das machen sie ganz alleine«, kommentierte Rajoy siegessicher die Tatsache, dass Spanien einsamer EU-Rekordhalter bei der Arbeitslosigkeit ist. Rajoy beging den Wahlauftakt erstmals in Katalonien. Hier und in Andalusien muss er das PP-Ergebnis verbessern, um die absolute Mehrheit zu erhalten. Die Spanier wüssten, dass man nicht denen die Macht geben dürfe, die dieses »Desaster« angerichtet hätten, so Rajoy.

Die Arbeitsmarktdaten haben die Wahltaktik der PSOE zunichte gemacht. Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero hatte die Wahlen auf den 20. November vorgezogen. Die PSOE hoffte, dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt im Sommer in dem Urlaubsland entspannen werde. Mit dem positiven Eindruck wollte sie in den Wahlkampf gehen, bevor die Arbeitslosigkeit im Winter wieder steigt.

Ex-Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba kämpft nun mit dem Rücken zur Wand. Er hat die Spitzenkandidatur der PSOE übernommen, denn Zapatero tritt nach den fatalen Ergebnissen bei den Kommunal- und Regionalwahlen für die Sozialisten im Mai nicht mehr an. Rubalcaba warnt vor harten Einschnitten ins Sozialsystem unter der PP - um so härter, je mehr Macht sie hat. Er weist dabei darauf hin, dass die PP die Schere schon am Bildungs- und Gesundheitswesen in den Regionen angesetzt hat, in denen sie regiert. Rajoy sei nicht glaubwürdig, wenn er beschwört, weder Einschnitte bei Bildung, Gesundheit oder den Renten vorzunehmen.

Schwer haben es kleinere Parteien wie die Vereinte Linke (IU), sich überhaupt Gehör zu verschaffen. Sie beklagt, dass sich PP und PSOE in den wesentlichen Fragen einig und letztlich gemeinsam für die Krise verantwortlich sind. Noch schwieriger hat es die neue grüne Partei. »EQUO« darf nicht einmal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Wahlspots senden. Nach Ansicht der Wahlbehörde trete sie nicht in 75 Prozent des Landes an. Herausgerechnet hat sie die Gebiete, in denen die Partei in Koalition mit anderen antritt.

EQUO setzt auf einen demokratischen »Neustart« und hofft auf Stimmen aus der Empörtenbewegung. Aushängeschilder der Partei sind der spanische Ex-Greenpeace-Chef und ein Ex-Führungsmitglied der IU. Juan López de Uralde und Inés Sabanés wollen nun zeigen, dass man auch von unten die Bevölkerung erreichen kann. Die Aktivitäten der »Indignados« werden in diesen Tagen ebenfalls stärker werden. Auch wenn die Wahlbehörde in Madrid Versammlungen der Empörten auf dem zentralen Platz untersagt hat, wollen die sich mit zivilem Ungehorsam dem Verbot widersetzen. Für den gestrigen Abend wurde für eine Versammlung mobilisiert, und es gibt viele Stimmen, die den Platz erneut besetzen wollen.

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